Ukraine:Die Namen hinter dem Komplott

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Der russische Journalist Arkadi Babtschenko bei einem Interview mit ausländischen Medienvertretern. (Foto: dpa)
  • Bei dem Auftraggeber des erst vereitelten und dann vorgetäuschten Mordes an dem russischen Journalisten Arkadi Babtschenko soll es sich um Boris Herman handeln.
  • Herman ist ein Kiewer Geschäftsmann, ihm gehören Handelsfirmen, Reisebüros und Immobilienfirmen. Außerdem ist er Geschäftsführer einer Pistolenfabrik, die die ukrainische Armee beliefert.
  • In dem Fall sind noch viele Fragen offen, unabhängige Bestätigung der Hintergründe ist schwierig.

Von Florian Hassel, Warschau, und Bastian Obermayer

Im Fall der Mordinszenierung um den russischen Journalisten Arkadi Babtschenko haben die ukrainischen Behörden die Namen des angeblichen Auftraggebers und des als Mörder angeheuerten Mannes genannt, der als Doppelagent des ukrainischen Geheimdienstes SBU geholfen haben soll, den Mord zu verhindern. Der Kiewer Anwalt Jewgenij Solodko bestätigte, dass es sich bei dem von Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko beschuldigten angeblichen Auftraggeber um Boris Herman handelt.

Der 50 Jahre alte Herman ist ein Kiewer Geschäftsmann, dem Handelsfirmen ebenso gehören wie Reisebüros oder Immobilienfirmen. Herman soll auch amtierender Geschäftsführer einer die ukrainische Armee beliefernden Pistolenfabrik sein. Dem Internetdienst Ukrainska Pravda zufolge wird gegen Herman seit 2016 wegen illegalen Waffengebrauchs ermittelt. Herman soll zudem jahrelang Assistent zweier ukrainischer Parlamentarier gewesen sein.

Eine angebliche Stiftung Putins soll hinter dem Mordauftrag stecken

Herman selbst sagte bei einer Anhörung im Gericht des Kiewer Stadtteils Schewtschenkowskij, er habe tatsächlich den von den Behörden genannten Alexej Z. angeheuert, um Babtschenko zu ermorden. Herman zufolge ist der Mord bei ihm seinerseits von seinem alten Bekannten Wjatscheslaw P. - Herman nannte den vollen Namen - in Auftrag gegeben worden, dem Chef einer privaten Stiftung von Russlands Präsident Wladimir Putin, wo P. "für die Ukraine und Terrorakte verantwortlich ist". P. habe ihm eine Liste mit 30 Namen von Leuten gegeben, die in der Ukraine ermordet werden sollten. Er habe Alexej Z. für den ersten Mord - an Babtschenko - angeheuert, weil er überzeugt gewesen sei, dass dieser "nicht in der Lage sei, einen Unschuldigen zu töten" und sofort den ukrainischen Geheimdienst benachrichtigen werde.

Vorgetäuschter Mord an Babtschenko
:Tot für einen Tag

Arkadi Babtschenko wurde Opfer eines Profikillers - bis der Journalist keine 24 Stunden später wieder unter die Lebenden trat. Der ukrainische Geheimdienst will mit dem Manöver die Drahtzieher eines Komplotts aufgedeckt haben. Moskau übt Kritik.

Von Florian Hassel, Warschau

Herman erklärte dieses Schema mit seiner angeblichen Mitarbeit für den ukrainischen Auslandsgeheimdienst: Seine Tätigkeit sei Teil einer Operation gewesen, um die Finanziers russischer Agenten im Land zu ermitteln. In Moskau ist offiziell keine private Stiftung des russischen Präsidenten bekannt. "Natürlich existieren in Russland keinerlei solche Stiftungen", sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow. "Jedwede Behauptung über eine mögliche Teilnahme Russlands an dieser Inszenierung ist nichts anderes als eine Unterstellung, die nicht der Wirklichkeit entspricht."

Boris Herman ist seinem Anwalt zufolge Direktor der Pistolenfabrik Schmeisser, 1994 gegründet. Eine Datenbank des Parlaments über "führende ukrainische Firmen" listet die in einem Kiewer Vorort registrierte Firma als deutsch-ukrainisches Gemeinschaftsunternehmen auf. Unstrittig scheint zu sein, dass die ukrainische Firma lange einer deutschen Firma mit Sitz in Ratingen gehört hat, die ebenfalls Schmeisser heißt.

Eine unabhängige Bewertung der Vorgänge ist schwierig

Dort erreicht man Werner Resch, nach eigenem Bekunden Geschäftsführer und Inhaber. Er habe allerdings mit der ukrainischen Schmeisser-Firma nichts mehr zu tun, sagt er, seit eine frühere Direktorin die Firma an sich selbst überschrieben habe, mittels angeblich gefälschter Dokumente. Insofern sei das deutsch-ukrainische Unternehmen mittlerweile ein rein ukrainisches. Den festgenommenen Boris Herman kenne er nicht, sagt Resch, der Mann habe nicht bei Schmeisser in Kiew gearbeitet, als das Unternehmen noch eine Tochter seiner Firma gewesen sei.

Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko wollte in Kiew die Botschafter Deutschlands und der anderen G-7-Länder über den Fall Babtschenko informieren. Luzenko zufolge heuerte Herman für den Mord an Babtschenko den ehemaligen ukrainischen Soldaten Alexej Z. an - Luzenko nannte ebenso wie Herman den vollständigen Namen. Z. habe sich an den SBU gewandt und werde in einem folgenden Prozess als Zeuge auftreten. Ein Mann, der den von der Generalstaatsanwaltschaft genannten Namen auf Facebook verwendete, bestätigte dort die angebliche Anheuerung als Auftragskiller und die Version des SBU. Eine unabhängige Bestätigung dafür aber war nicht möglich. Z. schrieb, er könne wegen einer Vertraulichkeitserklärung keine Interviews geben.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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