Überraschung in Oslo:Friedensnobelpreis geht an tunesisches Dialog-Quartett

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Die Vermittler des tunesischen Dialog-Quartetts: Wided Bouchamaoui vom Arbeitgeberverband (UTICA), Houcine Abbassi vom Gewerkschaftsverband UGTT, Abdessattar ben Moussa von der Menschenrechtsliga (LTDH) und Mohamed Fadhel Mahmoud vom Anwaltsverband. (Foto: Anis Mili/Reuters)
  • Für seine wichtige Rolle im Demokratisierungsprozess des Landes erhält das tunesische Dialog-Quartett den Friedensnobelpreis 2015.
  • Das Nobelpreis-Komitee hofft mit seiner Wahl, das tunesische Volk auf diesem Weg zu bestärken und für die gesamte Region einen Ansporn zu bieten.
  • Ein Quartett-Mitglied zeigte sich in einer ersten Reaktion "überwältigt" vom Erhalt der Auszeichnung.

Friedensnobelpreis geht nach Tunesien

Der Friedensnobelpreis 2015 geht an das tunesische nationale Dialog-Quartett. Das gab die norwegische Jury am Freitag in Oslo bekannt. Das Quartett besteht aus dem tunesischen Gewerkschaftsverband (UGTT), dem tunesischen Arbeitgeberverband (UTICA), der tunesischen Menschenrechtsliga (LTDH) und der Anwaltskammer. Sie hatten sich im Sommer 2013 zusammengeschlossen.

Die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen hätten bei der Demokratisierung des Landes im Zuge der Umbrüche des Arabischen Frühlings eine entscheidende Rolle gespielt, sagte die Komitee-Vorsitzende Kaci Kullmann Five. Das Quartett habe einen alternativen friedlichen politischen Prozess angestoßen, als das Land am Rand eines Bürgerkrieges stand.

Es habe entscheidend dazu beigetragen, dass in dem nordafrikanischen Land binnen weniger Jahre ein Regierungssystem errichtet wurde, das der "gesamten Bevölkerung grundlegende Rechte garantiert, ungeachtet des Geschlechts, der politischen Überzeugung oder des religiösen Glaubens".

Die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis sei gedacht als Ermutigung für das tunesische Volk, das beispielhaft agiert habe, aber immer noch vor großen Herausforderungen stehe, sagte Kullmann Five. Der Preis solle aber auch "Ansporn für alle sein, die Frieden und Demokratie im Nahen Osten, Nordafrika und im Rest der Welt voranbringen wollen".

Der Nobelpreis 2015 geht damit an einen Zusammenschluss von vier Organisation, mit deren Auszeichnung wohl nur wenige gerechnet haben dürften.

Erste Reaktionen

Houcine Abassi vom tunesischen Gewerkschaftsverband zeigte sich in einer ersten Reaktion "überwältigt" von der Geste des Nobelpreis-Komitees. "Es ist ein Preis, der die mehr als zweijährigen Anstrengungen des Quartetts krönt, zu einer Zeit, als das Land an allen Fronten in Gefahr war", sagte der UGTT-Generalsekretär. Seine Organisation habe gemeinsam mit den anderen drei Gruppen versucht, das Land aus der Krise zu führen. Einen Friedensnobelpreis habe er dafür aber nicht erwartet, sagte Abassi.

Die Vereinten Nationen begrüßten die Ehrung des Dialog-Quartetts. "Wir brauchen die Zivilgesellschaft, um den Friedensprozess voranzutreiben", sagte ein UN-Sprecher in Genf. Tunesien sei dafür ein "brillantes Beispiel".

Die Bundesregierung gratulierte den Preisträgern ebenfalls und nannte den Preis den "verdienten Lohn für ein Festhalten an der Idee, dass ein Volk, das eine Diktatur abgeschüttelt hat, etwas besseres verdient als eine neue Diktatur". Bundeskanzlerin Angela Merkel war selbst für den Preis nominiert. Auf die Frage, ob Merkel erleichtert sei, dass sie den Preis nicht bekommen hat, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Sie hören Freude über eine sehr gute Entscheidung und großen Respekt vor der Preisträgern." Die Spekulationen seien im Übrigen ausschließlich von den Medien betrieben worden und nicht von der Bundesregierung.

Der polnische Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der 2011 in Tunesien die Mitglieder des Quartetts beraten hatte, sagte: "Ich denke, das Nobelpreiskomitee hat genau hingeschaut und das Richtige getan. Die demokratischen Prozesse dort sind noch nicht abgeschlossen, und solche Auszeichnungen sind wichtig, weil sie versichern, dass die richtigen Dinge getan werden."

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Hintergrund zum Friedensnobelpreis

Insgesamt waren in diesem Jahr 273 Menschen oder Organisationen für den Friedensnobelpreis nominiert. Im vergangenen Jahr erhielten die Auszeichung die junge pakistanische Vorkämpferin für Kinderrechte, Malala Yousafzai, und der Inder Kailash Satyarthi, der seit Jahrzehnten gegen Kinderarbeit kämpft.

Der Friedensnobelpreis ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (etwa 850 000 Euro) dotiert und wird - anders als die anderen Nobelpreise - nicht in Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekanntgegeben. Überreicht werden alle Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

© SZ.de/dpa/AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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