TV-Debatte der Demokraten:Clinton überragt ihre Gegner

Lesezeit: 3 min

  • Hillary Clinton dominiert die erste TV-Debatte der Demokraten
  • Die ehemalige Außenministerin versucht ihrem Konkurrenten Bernie Sanders den Schneid abzukaufen.
  • Ein Teil der Kandidaten bleibt äußert blass.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Es gibt diese trägen Momente in der ersten TV-Debatte der Demokraten, in denen man sich Donald Trump herbei... oh, Moment da ist er ja!

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Natürlich versucht der omnipräsente Zampano-Kandidat der Republikaner auch diese Veranstaltung zu kapern, und nach Kriterien der Unterhaltung sind diese zweieinhalb Stunden auf CNN in der Tat eher dürftig. Doch Politik ist eben auch in den USA noch mehr als Entertainment. Noch.

Drei Erwartungen erfüllen die fünf Präsidentschaftsanwärter auf der Bühne eines Hotels in Las Vegas deshalb: Sie gehen ziviler als das republikanische Dutzend miteinander um, orientieren sich eher an Sachthemen und sind sich dort häufig ziemlich einig.

Der Respekt geht so weit, dass Bernie Sanders zu Hillary Clinton sagt: "Die Amerikaner sind es leid, die ganze Zeit von deinen verdammten E-Mails zu hören. Sie wollen etwas über Themen erfahren." Er kritisiert damit Medien und Republikaner, nicht seine Gegnerin - die schüttelt ihm lachend und dankbar die Hand für die freundlichen Worte.

Demokraten und die Kapitalismusfrage

Auf Sanders, den Senator aus Vermont, richten sich an diesem Abend erstmals die Scheinwerfer einer größeren Öffentlichkeit: Im Sommer hat sich der "sozialistische Demokrat" vom Liebling der Linken zu einem ernsthaften Gegenkandidaten für Hillary Clinton entwickelt - wenn auch nur in den ersten beiden Vorwahl-Staaten Iowa und New Hampshire.

Dass der 74-Jährige zuvor nur widerwillig für die Debatte probte, zeigt sich allerdings. Zu Beginn schreit er seine Sätze hinaus als wäre er noch auf Wahlkampftour, dann werden nicht lässliche Stilfragen, sondern Inhalte zum Problem: Kurz nach dem Amoklauf in Oregon wirft ihm Hillary Clinton vor, nicht genug für die Einschränkung von Waffenbesitz zu tun. Das lässt den Kandidaten, der aus einem Staat mit vielen Jägern kommt und in der Tat eine gemischte Bilanz hat, alt aussehen.

Clinton greift Sanders an

Ohnehin tut Clinton wenig, um die Freundlichkeit des Konkurrenten zu erwidern. Sanders prangert die "unmoralische Vermögensverteilung" und den Reichtum der "ein Prozent" an. "Bei Kapitalismus denke ich an kleine Firmen", entgegegnet Clinton, die USA seien nicht Dänemark. Aber man müsse natürlich "den Kapitalismus vor sich selber retten". Damit bewegt sie sich gerade so weit ins linke Lager, dass sie nicht für jene Mitte unwählbar wird, die auf allzu große Sozialstaats-Experimente keine Lust hat.

Als Sanders, kein großer Außenpolitik-Könner, Clinton als Hardlinerin darstellen will und sagt, er wolle "keine amerikanischen Bodentruppen in Syrien", erwidert sie trocken "niemand will das, niemand will das".

Die ehemalige Außenministerin und First Lady ist längst eine "Larger-than-Life"-Figur, aber im Wahlkampf war ihre echte Größe bislang nur schwer einzuschätzen. Verschanzt hinter einem gewaltigen Wahlkampf-Apparat legte sie einen leichten Linksschwung hin, erweckte aber den Eindruck, als angeblich "Unvermeidliche" den Wahlkampf ein bisschen aussitzen zu wollen.

Von diesem Abend lässt sich sagen: Sie zeigt mehr Statur als ihre Gegner. Das liegt nicht nur daran, dass sie professioneller und erfahrener als die Konkurrenten wirkt. Vielmehr deckt sie alle Positionen ab, die bislang Mainstream-Demokraten abdecken mussten.

Doch was ist eigentlich ein Mainstream-Demokrat im Jahr 2015? Jim Webb, 69, Ex-Senator aus Virginia, verortet seine Position eher rechts von der sehr progressiven Vorwählerschaft seiner Partei. Vor allem aber bleibt er an diesem Abend nicht mit konkreten Vorschlägen, sondern mit verbalen Protestnoten über seine geringe Sprechzeit in Erinnerung.

Wo Jim Webb zu wenig redet, spricht Lincoln Chafee zu viel, genauer gesagt redet er sich um Kopf und Kragen. Warum er damals gegen die Bankenregulierung gestimmt habe, fragt der scharfgeschaltete CNN-Moderator Anderson Cooper den Ex-Gouverneur von Rhode Island, der einst den Republikanern angehörte. Er sei damals neu im Senat gewesen, erklärt der 62-Jährige, deshalb habe er sich nicht mit dem Gesetz beschäftigen können. "Ist das Ihr Ernst?", fragt Moderator Cooper entgeistert ob so viel unverhoffter Ehrlichkeit.

Martin O'Malley ist näher an der Basis als Chafee, der zwischen allen Stühlen sitzt. In der Debatte wacht der ehemalige Gouverneur von Maryland und frühere Bürgermeister von Baltimore allerdings erst gegen Ende auf und deutet an, warum er mit 52 Jahren aus einer bestimmten Perspektive eine (etwas) frischere Alternative sein könnte, die für eine liberale Einwanderungspolitik steht. In seinem Abschlussplädoyer stellt er fest: Immerhin habe man an diesem Abend anders als die Republikaner nicht gegen Einwanderer gehetzt, die in den USA ihr Glück suchten, oder gegen Menschen mit anderem Glauben.

Vernünftig, aber auch attraktiv?

Dass allen Kandidaten diese Vernunft innewohnt, dürfte manchen Europäer beruhigen, ebenso wie der Fokus auf Ungleichheit und die Folgen des Klimawandels, die beiden wichtigsten Themen der Basis. Leistungen wie Mutterschutz, die zu den frühen Errungenschaften Europas gehören, sind im Lager der Demokraten inzwischen Konsens.

Eine Alternative der Demokraten zu Hillary Clinton konnten die Wähler in Las Vegas noch nicht erleben, auch wenn Sanders' deutliche Botschaft zum Überlebenskampf der Mittelschicht großen Reiz hat.

Das könnte eine Chance für den US-Vizepräsidenten Joe Biden sein, der weiterhin über eine Kandidatur nachdenkt. Seine Entscheidung ist schon lange überfällig.

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