Türkei:Demo für getöteten kurdischen Anwalt eskaliert

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Bilder der Gewalt in Istanbul: Nach dem Mord an einem prominenten kurdischen Menschenrechtsanwalt kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. (Foto: AP)
  • Nach dem Mord an einem prominenten kurdischen Anwalt eskaliert in Istanbul eine Gedenkveranstaltung.
  • Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstranten vor.
  • Tahir Elçi war am Samstag erschossen worden, als er in Diyarbakir im Südosten der Türkei eine Erklärung vor der Presse abgab.

Die türkische Polizei hat am Samstagabend in Istanbul eine Kundgebung gewaltsam aufgelöst. Hunderte Menschen hatten sich versammelt, um dem getöteten kurdischen Menschenrechtsanwalt Tahir Elçi zu gedenken, der am Samstag erschossen worden war. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass Polizisten Tränengas und Wasserwerfer gegen die Menge einsetzten.

Die Veranstaltung für Elçi hatte mit einer Schweigeminute begonnen. Später skandierten die Menschen regierungskritische Parolen: "Ihr könnt uns nicht alle töten" und "Der Verbrecherstaat muss Rechenschaft ablegen". In Ankara und Izmir gab es ebenfalls Kundgebungen. Auch in der vorrangig von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten.

Mord in Diyarbakir

Der 49-jährige Jurist Elçi war am Samstag in Diyarbakir von einer Kugel im Gesicht getroffen, als er vor einer Moschee eine Erklärung vor der Presse abgab. Auf einem Video der Nachrichtenagentur Dogan ist zu sehen, wie Männer, die sich hinter dem Minarett der Moschee versteckt hatten, plötzlich das Feuer auf Elçi und die neben ihm stehenden Menschen eröffnen. Dabei wurde auch mindestens ein Polizist getötet, zehn Menschen wurden verletzt. Der Gouverneur von Diyarbakir verhängte eine Ausgangssperre.

Elçi hatte im Oktober den Unmut der Behörden auf sich gezogen, als er im Fernsehen erklärte, die kurdische Arbeiterpartei PKK sei keine terroristische Gruppierung. Er wurde deswegen vorübergehend festgenommen. Ihm drohte ein Prozess wegen des Vorwurfs der Propaganda für eine terroristische Organisation. Zu Elçis Mandanten gehörten unter anderem drei Journalisten des Online-Magazins Vice, wie die Redaktion mitteilte.

Für seine Erklärung in Diyarbakir hatte der Anwalt einen symbolträchtigen Ort ausgewählt: Er sprach in der Altstadt vor einer bekannten Moschee, deren Minarett von Gefechten schwer beschädigt worden war. Wie auf Fernsehbildern war zu sehen war, warb Elçi kurz vor seinem Tod für Frieden in der Region: "Wir sagen, der Krieg, die Kämpfe, die Waffen, die Einsätze sollen fernbleiben von hier", sagte er.

Reaktionen auf den Anschlag

Die Hintergründe der Tat sind noch unklar. Die linksliberale, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) sprach von einem "geplanten Mord" und forderte zu Protesten auf. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu machte kurdische Rebellen für den Angriff verantwortlich.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich "traurig über den Tod von Elçi". In einer Rede sagte der islamisch-konservative Staatschef, der seit Juli mit einem massiven Militäreinsatz gegen kurdische Rebellen vorgeht, der Kampf gegen den "Terrorismus" müsse bis zum Ende geführt werden.

Die Türkei, die USA und die EU stufen die PKK, die für einen eigenen Kurdenstaat kämpft, als Terrororganisation ein. Seit Beginn des PKK-Aufstandes 1984 sind mehr als 40 000 Menschen getötet worden. Ein seit März 2013 andauernder Waffenstillstand mit der Türkei war im Juli gescheitert.

© SZ/AFP/Reuters/dpa/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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