Tschechiens Präsident Zeman:Pöbeln in Prag

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Miloš Zeman will Demokratie in China lernen, flucht live im Fernsehen und lässt sich zu Flugreisen einladen. Immer mehr Tschechen kritisieren ihren Präsidenten - auch für seinen Alkoholkonsum.

Von Klaus Brill, Warschau

Er will sich nicht entschuldigen. Dafür gebe es keinen Grund, ließ er seinen Pressesprecher mitteilen. Und offenbar ist Miloš Zeman nun der Meinung, der Sturm sei damit ausgestanden. Das könnte ein Irrtum sein. Zwar ist man es von ihm als tschechischem Staatspräsidenten schon lange gewohnt, dass er eigenwillige Gedanken äußert, sich dabei drastisch ausdrückt und seine Gegner mit unflätigen Schimpfworten belegt.

Noch nie aber hat der 70-jährige Linkspopulist in jüngerer Zeit eine solche Woge der Entrüstung provoziert wie in den vergangenen Tagen. Diplomatische Patzer, moralische Ungehörigkeiten und ein paar Bemerkungen in übelster Gossensprache trugen ihm aus allen Teilen des politischen Spektrums und der Bevölkerung scharfe Missbilligung ein, bis hin zu kaum verhüllten Rücktrittsforderungen. Auch werden öffentlich Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit geäußert.

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Die Affäre nahm ihren Anfang in China, wo der Präsident zu einem Staatsbesuch weilte. In einem Interview erklärte er dort, er wolle die Chinesen nicht über Marktwirtschaft und Menschenrechte belehren, sondern seinerseits lernen, "wie man das Wirtschaftswachstum ankurbelt und die Gesellschaft stabilisiert". Zudem brachte Zeman zum Ausdruck, er betrachte Tibet und Taiwan als integrale Teile Chinas und erwarte eine baldige Wiedervereinigung Taiwans mit dem Festland.

Ein schwerer Fauxpas, der anderswo zum Rücktritt führen würde, wie der frühere Außenminister Karel Schwarzenberg bemerkte. Der konservative Oppositionsführer spottete, die Chinesen hätten ihre Gesellschaft 1989 mit dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Peking stabilisiert, und bis heute würden alle Oppositionellen ins Gefängnis gesteckt. Auch andere Politiker und mehrere Kommentatoren warfen Zeman eine übertriebene Servilität gegenüber seinen Gastgebern vor.

Noch stärkeren Widerspruch erntete der Präsident, weil er dann die Rückreise von Peking nach Prag nicht in einer Regierungsmaschine antrat, sondern als Gast in einem privaten Jet. Das Flugzeug war von der Finanzgruppe PPF des tschechischen Milliardärs Petr Kellner sowie von der slowakischen Investment-Gruppe J & T geleast worden, deren Repräsentanten in einer Wirtschaftsdelegation an Zemans Visite teilgenommen und Verträge geschlossen hatten.

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Für Zemans Kritiker war dies ein klarer Verstoß gegen die Regeln des politischen Anstands. Ministerpräsident Bohuslav Sobotka bezeichnete das Verhalten als "politischen Fehler" und fügte an, der Präsident hätte "das Ansehen seines Amtes" wahren müssen.

Gleich nach der Rückkehr leistete sich der Gescholtene die nächste Eskapade. Zum jährlichen Gala-Empfang aus Anlass des Nationalfeiertags am 28. Oktober hatte er zwei Universitätsrektoren, die ihn früher kritisiert hatten, demonstrativ nicht eingeladen. Auch andere blieben deshalb fern. Für Peinlichkeiten sorgte ferner die Tatsache, dass der Präsident bei der alljährlichen Ordensverleihung diesmal auch zwei Filmemacher auszeichnete, die früher einen Wahlwerbespot und eine Dokumentation über Zeman gedreht hatten.

Ein Kommentator schreibt, der Präsident sei vom Alkohol ruiniert

Den Gipfel aber stellte ein Live-Interview dar, das Zeman am Sonntag nach alter Tradition am Sommersitz des Präsidenten in Lany dem Tschechischen Rundfunk gab. Darin wütete er nicht nur besonders heftig gegen seine journalistischen Kritiker, indem er sagte: "Die meisten Kommentatoren kommen aus dem Mülleimer und gehören deshalb in die Latrine. Dafür habe ich nur Verachtung übrig."

Vielmehr erwähnte er auf eine Frage nach seiner eher konzilianten Linie gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auch die weibliche russische Punkband Pussy Riot, deren Mitglieder wegen eines provokativen Auftritts in einer Kirche zeitweise inhaftiert waren. Ob er eigentlich wisse, was "Pussy" heiße, fragte Zeman den Reporter und übersetzte die Vokabel, die im Englischen auch für das weibliche Geschlechtsorgan gebraucht wird, sogleich mit einer tschechischen Vokabel der vulgärsten Art.

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Im weiteren Verlauf gebrauchte er auch andere Gossenausdrücke, sodass sich ein großer Chor des Protests erhob. Einhelliger Tenor: der Interviewte habe nicht nur seinem eigenen, sondern auch dem Ansehen des Präsidentenamtes und des Staates geschadet.

Worin die Ursache liegen könnte, wird immer unverhohlener erörtert. Er wisse nicht, ob sich mit Zemans Äußerungen ein Politiker oder ein Arzt befassen sollte, sagte Ex-Minister Schwarzenberg. Und ein Kommentator der Zeitung Lidove Noviny schrieb unverhüllt, der Präsident sei physisch und psychisch vom Alkohol ruiniert. Ein Problem, das schon bei anderer Gelegenheit zum Thema wurde.

© SZ vom 06.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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