Die tschechische Waffenfabrik Česká Zbrojovka (CZ) kann nicht über schlechte Geschäfte klagen, im Gegenteil. Seit 2016 stattet die traditionsreiche Fabrik die Armee des 10,5-Millionen-Einwohner-Landes mit einem neuen Sturmgewehr aus. Und neben ausländischen Kunden sind da noch tschechische Privatleute, die zunehmend heimische Pistolen oder Gewehre kaufen. Insgesamt, dankte die Waffenfabrik ihren Kunden kurz vor Weihnachten, war 2016 "das erfolgreichste Jahr in der Geschichte der CZ-Fabrik".
Das neue Jahr könnte noch erfolgreicher für die Waffenschmiede werden. Innenminister Milan Chovanec möchte, dass Tschechen ihre privaten Waffen künftig nicht mehr nur zur Jagd, zum Sportschießen und zur Notwehr einsetzen dürfen, etwa bei einem Raubüberfall oder einer Vergewaltigung. Tschechiens private Waffenbesitzer sollen einem im Parlament eingereichten Entwurf einer Verfassungsänderung zufolge ausdrücklich auch "an der Sicherung innerer Ordnung und Sicherheit und der territorialen Integrität, Souveränität und demokratischen Ordnung der Tschechischen Republik teilnehmen" - und etwa selbst auf Terroristen schießen.
Angeblich geht es um den Kampf gegen Terror. Oder doch um Wählerstimmen?
Die Tschechen würden eine solche Änderung begrüßen, behauptete der Innenminister Anfang Januar, denn Terrorangriffe in Westeuropa und anderswo hätten "die Sicherheitsbedenken in der Öffentlichkeit verstärkt". Das Parlament solle die Verfassungsänderung noch vor einer Parlamentswahl im Oktober beschließen. Ob es zu der vom Minister gewünschten Änderung kommt, ist angesichts der Skepsis von Sicherheitsexperten ebenso offen wie die Antwort auf die Frage, ob es tatsächlich um mehr Sicherheit gegen Terror geht - oder um mehr Wählerstimmen und mehr Sicherheit gegenüber Vorschriften der EU.
Nachdem in Frankreich Terroristen am 7. Januar 2015 in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo elf Menschen mit automatischen Waffen getötet hatten, entwarf die EU-Kommission eine Richtlinie für strengere Kontrollen beziehungsweise ein Verbot von automatischen und halbautomatischen Waffen in Privatbesitz. Jäger- und Sportschützen-Lobbyisten organisierten ebenso Widerstand wie die tschechische Regierung. Der Entwurf wurde verwässert, Tschechien stimmte vier Tage vor Weihnachten 2016 gleichwohl gegen den Entwurf, der im kommenden März vom Europäischen Parlament gebilligt werden muss, um in Kraft zu treten.
Europäische Union:EU verschärft Waffenrecht
Kalaschnikows werden verboten, Filmrequisiten registriert - nach langen Verhandlungen haben die Mitglieder der EU nun einen Kompromiss gefunden. Die Regelung soll Terroristen den Zugang zu Tötungswerkzeugen erschweren.
Einem Bericht der Prager Zeitung Pravo zufolge, der auf das tschechische Innenministerium Bezug nimmt, müsste das Land im Fall des Inkrafttretens der Direktive bei Tschechiens 300 000 Waffenscheininhabern 50 000 halbautomatische Waffen einsammeln, eine Million Munitionsmagazine und mehrere Hunderttausend deaktivierter Waffen. Doch der Innenminister will sich dem Pravo-Bericht zufolge auf den Standpunkt stellen, dass Tschechiens Verfassung über EU-Recht stehe. Eine Verfassungsänderung, die Tschechiens Privatschützen gleichsam zu Schützern der inneren Ordnung erhebt, könnte den Minister so trotz EU-Direktive aus Prager Sicht erst einmal der unangenehmen Aufgabe entheben, den Schützen einen Teil ihrer Waffen abzunehmen.
Mehr als 800 000 Waffen - bei 10,5 Millionen Einwohnern
Tschechien hat ein liberales Waffengesetz: Prinzipiell kann jeder Tscheche, der mindestens 21 Jahre alt und nicht vorbestraft ist, einen Waffenschein bekommen. Bereits 2014 hatten Tschechiens Waffenscheininhaber dem Forschungsprojekt gunpolicy.org der Universität Sydney zufolge gut 810 000 Waffen registriert. In den vergangenen zwei Jahren gingen die Tschechen zudem verstärkt in Waffengeschäfte, nachdem der auch sonst gegen Einwanderer nach Europa trommelnde Präsident Miloš Zeman Ende Januar 2015 in Prag vor einem angeblich drohenden "Super-Holocaust" durch islamistische Terroristen gewarnt hatte. Die CZ-Waffenschmiede sagte dem tschechischen Fernsehen im Mai 2016, sie werde Schwierigkeiten haben, alle Aufträge zu erfüllen, wenn die Nachfrage so hoch bleibe.
Dabei hat Tschechien bisher keinen islamistischen Terror erlebt. Das größte Blutbad richtete Ende Februar 2015 der 63 Jahre alte Tscheche Zdeněk Kovář an - ausgerechnet in Uherský Brod, dem Heimatort der CZ-Waffenschmiede. Nur wenige Wochen nach dem Blutbad in der Charlie Hebdo-Redaktion betrat Kovář, registrierter Waffenscheinbesitzer und offenbar unter Verfolgungswahn leidend, ein Restaurant und ermordete mit seinen Pistolen und Revolvern am 24. Februar 2015 acht Menschen, bevor er sich selbst erschoss.
Gleichwohl ist Tschechien Daten der Weltgesundheitsorganisation zufolge eines der sichersten Länder der Welt. Prozentual sterben dort deutlich weniger Menschen durch Schusswaffen als in Frankreich oder Österreich.