Jeder kennt die Wahrheit. Jeder weiß, was Donald Trump getan hat. Selbst der notorische Lügner Trump kann nicht genug lügen, um die Wahrheit zu verdecken. Und die Wahrheit ist: Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat sein Amt und seine Macht missbraucht, um sich einen persönlichen politischen Vorteil zu verschaffen. Er hat die ukrainische Regierung erpresst, damit diese ihre Staatsanwälte gegen einen innenpolitischen Gegner Trumps ermitteln lässt, den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden.
Das sind die Fakten. Wer sie kennen will, der kennt sie, dazu braucht es die öffentlichen Anhörungen eigentlich nicht, mit denen die Demokraten jetzt im Kongress beginnen. Und es gibt in Washington außer Trump auch praktisch niemanden mehr, der sich die Blöße geben will, diese Fakten ernsthaft zu bestreiten.
USA:Die große Impeachment-Show beginnt
Die US-Demokraten hoffen, dass ihre Zeugen Präsident Trump live im Fernsehen demontieren. Den Anfang macht ein Diplomat mit makellosem Ruf.
Was es hingegen in beliebiger Anzahl gibt, sind republikanische Abgeordnete und Senatoren, die diese Fakten ignorieren, entschuldigen oder herunterspielen; die auf den Demokraten herumhacken, weil diese die Fakten ans Licht gebracht haben; oder, und das ist die jüngste Variante, die die Fakten zwar anerkennen, sie aber gleichzeitig dadurch wegzuerklären versuchen, dass sie sagen, Donald Trump - immerhin der Mann, den sie ansonsten als einen ganz großartigen Präsidenten loben - sei einfach intellektuell zu beschränkt und emotional zu instabil, um dafür verantwortlich gemacht werden zu können, was er getan hat.
Das ist nicht schmeichelhaft für den Präsidenten. Aber solange die Republikaner so reden, muss Trump sich keine Sorgen machen. Seine Verteidigungsstrategie gegen das Amtsenthebungsverfahren besteht darin, es als einen parteitaktisch motivierten Rachefeldzug der Demokraten zu diffamieren. Das geht nur, wenn kein Republikaner überläuft und bei dem Impeachment mitmacht. Viel wichtiger als das, was seine Parteifreunde über ihn sagen, ist für Trump daher, dass keiner von ihnen im Abgeordnetenhaus oder im Senat gegen ihn stimmt.
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Alexander Vindman hatte das brisante Telefongespräch des Präsidenten mitgehört und dazu vor dem Kongress ausgesagt. Der Offizier rechnete nach Trumps Freispruch mit seiner Entlassung Alles zum Amtsenthebungsverfahren im Newsblog.
Trump tut, was er tut
Das wissen die Demokraten. Deswegen vernehmen sie von diesem Mittwoch an die Zeugen gegen Trump live im Fernsehen. Es geht dabei nicht darum, neue Fakten zutage zu fördern, sondern darum, die Republikaner in die Enge zu treiben. Der politische Preis, den diese dafür bezahlen müssen, dass sie einen Präsidenten verteidigen, der seinen Amtseid gebrochen hat, soll steigen.
Wäre Trump auf die Loyalität oder gar die Zuneigung der Republikaner im Kongress angewiesen, dann könnte er wohl einpacken. Weder das eine noch das andere existiert in ausreichend großem Maße, um seinen Verbleib im Amt zu garantieren. Stattdessen rechnet der Präsident damit, dass die blanke Angst ihn rettet: die Angst der republikanischen Parlamentarier, dass die eigenen Parteianhänger revoltieren und sie rauswerfen, wenn sie sich gegen Trump stellen; und die Angst der Partei, dass die Präsidentschaftswahl nächstes Jahr verloren geht, wenn sie sich jetzt per Impeachment ihres Kandidaten entledigt.
Die Angst, dass Amerikas Demokratie vielleicht irreparabelen Schaden nimmt, wenn Trump weiterregiert, wiegt die Angst der Republikaner vor dem Absturz in die Opposition nicht auf. Auch das gehört zur Wahrheit: Trump tut, was er tut. Aber es ist die Feigheit der Republikaner, die ihn damit davonkommen lässt.