Donald Trump:Im Herzen ein "jugendlicher Delinquent"

Lesezeit: 3 min

Donald Trump vor Anhängern in Bedminster, zuvor hatte er sich im Gericht in Miami bei jedem Anklagepunkt für unschuldig erklärt. (Foto: Mary Altaffer/AP)

Kein Zweifel, der frühere US-Präsident ließ Geheimakten mitgehen und sorgfältig verstecken. Aber warum? Dazu schweigt sich die Anklageschrift gegen Donald Trump aus. Plausibel sind gleich mehrere Motive.

Von Fabian Fellmann, Washington

Krimis enden immer gleich. Die Detektivin überführt den wahren Täter, worauf es aus ihm herausbricht: Es war Hochmut, Gier, Wollust, Zorn, Neid, Eifersucht - eine der niederen Emotionen, die Menschen zu Verbrechern werden lassen. Donald Trumps Krimi entspricht nicht dieser Regel, wie so vieles, das den früheren US-Präsidenten betrifft, nicht den üblichen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist.

Fein säuberlich hat Sonderermittler Jack Smith in der Anklageschrift auf 49 Seiten festgehalten, wie Trump geheime Akten aus dem Weißen Haus mitgehen ließ, wo er sie in seinem Anwesen in Mar-a-Lago aufbewahrte, wie er sie eigenhändig sortierte, wie er einen Teil vor seinen eigenen Anwälten versteckte.

Eine bemerkenswerte Lücke aber lässt Smith offen: das Motiv. Kein Wort dazu, warum Trump Staatsgeheimnisse hortete, warum er sie um keinen Preis dem Nationalarchiv aushändigen wollte, warum er seine Anwälte lügen lassen wollte, wie Smith geltend macht. Die Frage drängt sich umso mehr auf, als der Sonderermittler Trump vorwirft, ein Anti-Spionage-Gesetz verletzt zu haben. Der ehemalige Präsident ein Spion? Ein Verräter gar oder ein Whistleblower?

Trump hat wohl sehr penibel auf die Kisten geachtet

Hinweise auf das Motiv finden sich in der Anklageschrift nur zwischen den Zeilen. Trump habe detaillierte Anweisungen erteilt, wo die Kisten aus dem Weißen Haus zu lagern seien, "weil sie seine Papiere sind", schrieben Mitarbeiter einander in Textnachrichten. Die Anklage führt auch ein Zitat Trumps an, das einer seiner Anwälte notierte: "Ich will nicht, dass jemand meine Kisten durchsucht. Das will ich wirklich nicht."

Sonderermittler Jack Smith bei der Bekanntgabe der Anklageerhebung gegen Trump in Washington. (Foto: Mandel Ngan/AFP)

Warum die Kisten Trump so am Herzen lagen, ist damit aber nicht beantwortet. Smith dürfte der These nachgegangen sein, Trump könnte Staatsgeheimnisse verkauft haben, und ließ Akten über dessen Geschäftsbeziehungen mit sieben Ländern beschlagnahmen. In der Anklageschrift wird das nicht erwähnt, Hinweise auf strafbares Verhalten scheinen die Ermittler dort nicht gefunden zu haben.

Die Szenen aus seiner Sommerresidenz in Bedminster in New Jersey enthalten allerdings Hinweise auf ein mögliches Motiv: Der frühere US-Präsident wollte sich wichtigmachen. Mit den Akten habe Trump prahlen können, sagt Chris Christie, ein früherer Freund und heutiger Gegenspieler. "Sie sind eine Trophäe, die Trump herumzeigt. Er sagt: Schau her, was ich da habe", sagte der Ex-Gouverneur von New Jersey dem Sender ABC News.

An Beispielen für Prahlerei mit Geheiminformationen mangelt es nicht

Trumps Vorliebe für Trophäen ist notorisch. Mitarbeiter beschreiben ihn als "pack rat", als Sammelwütigen. Von den Wänden seines Büros in dem New Yorker Hochhaus, das seinen Namen trägt, lächelt Trump in hundertfacher Ausführung herunter: als Titelheld des Playboy, beim Händedruck mit Ronald Reagan, als Karikatur der Zeitschrift New Yorker. Besuchern präsentiert er weitere Schätze wie einen Turnschuh der Basketball-Legende Shaquille O'Neal.

An Beispielen für Prahlerei mit Geheiminformationen mangelt es nicht in Trumps Lebenslauf. Einmal versuchte er, Russlands Außenminister Sergej Lawrow und den damaligen Botschafter Sergej Kisljak zu beeindrucken, indem er den beiden Informationen über einen israelischen Spion verriet.

So waren Teile der Regierungsakten in Trumps Anwesen Mar-a-Lago gelagert. Das Foto machten die Ermittler. (Foto: US-Justizministerium/imago)

Im Verlust der Präsidentschaft vermuten einige ein mögliches Motiv: Trump behaupte nicht nur, die Wahl sei ihm gestohlen worden, er glaube das auch. Dieser These widerspricht die Anklageschrift allerdings: In den Gesprächen mit den Besuchern in Bedminster erkannte Trump an, dass er nicht mehr Präsident sei und die Akten gar nicht mehr haben dürfte, er schien sich über die Situation gar lustig zu machen.

Das führt zu einem weiteren möglichen Motiv, favorisiert von seiner Anhängerschaft: Ihr Idol bewahrte die Geheimunterlagen bewusst auf, um sich gegen politische Attacken zu verteidigen. Als Hinweis dient erneut eine Unterhaltung in Bedminster. Demnach zeigte Trump den Besuchern militärische Angriffspläne gegen Iran. Nicht er habe diese Pläne geschmiedet, sondern General Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs, sagte Trump: "Das Papier ist der Beleg für mein Argument." Zuvor war bekannt geworden, dass der General befürchtete, der Präsident könnte in den letzten Tagen seiner Amtszeit Iran angreifen lassen, um an der Macht zu bleiben.

Er scheint sich sicher gewesen zu sein, dass die Justiz kuscht

Welche dieser Möglichkeiten die zutreffendste ist, könnte Donald Trump am besten beantworten. Er hat bisher nur indirekt über sein Motiv Auskunft gegeben, als er behauptete, vor dem Ende seiner Amtszeit die Geheimhaltungsstufe sämtlicher Akten aufgehoben zu haben. Möglich ist auch eine Mischung der diversen Varianten, gepaart mit einem Gefühl der Unangreifbarkeit. Trump sei im Herzen ein "jugendlicher Delinquent", kommentierte die Zeitung Politico, wie einer jener bösen Buben in der Schulklasse, die Briefkästen verschmieren, weil sie "keine Impulskontrolle" haben.

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Schon als Geschäftsmann setzte sich Trump über allerlei Vorschriften und Einschränkungen hinweg. Als Präsident tat er dies erst recht. Und er scheint sich ziemlich sicher gewesen zu sein, dass die Justiz es nicht wagen würde, ihn für das Horten der Geheimdokumente zu belangen. Gerade das FBI hatte sich nicht mit Ruhm bekleckert, als es 2016 wegen des Verdachts auf illegale Zusammenarbeit mit Russland eine Untersuchung gegen ihn eröffnete. Trump dürfte darauf gesetzt haben, dass sie ihn, den Favoriten unter den Präsidentschaftsbewerbern der Republikaner, nicht noch einmal antasten würden.

Genau das geschieht allerdings nun. Trump steht unter dem Vorwurf, das Anti-Spionage-Gesetz verletzt zu haben, das Besitz und Aufbewahren von Geheimdokumenten unter Strafe stellt, auch ohne niedere Beweggründe. In diesem Krimi spielt das Motiv keine Rolle.

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