Treuhandliegenschaften im Osten:Linkspartei will ein Stück DDR zurückkaufen

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Aus Angst vor den Heuschrecken wird die Linkspartei selbst zum Investor: In aller Eile hat sie eine Genossenschaft gegründet, um sich an einem Bieterverfahren für 11.500 ehemals volkseigene Wohnungen zu beteiligen. Die SPD spricht von einem "Witz", doch die Linken-Politiker meinen es ernst: Sogar Banken sollen das Projekt unterstützen.

Constanze von Bullion, Berlin

Die Linkspartei will ein Stück der DDR zurückkaufen und 11.500 ehemals volkseigene Wohnungen einer Genossenschaft mit mieterfreundlichem Zuschnitt zuführen. Sie stößt damit auf ein lebhaftes Echo, wenn auch nicht überall auf Begeisterung. Von einem "Witz" sprach der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. "Das ist ein tolles Zeichen", sagte hingegen die Linken-Bundestagsabgeordnete Heidrun Bluhm am Dienstag. "Außer von der politischen Konkurrenz auf Bundesebene habe ich nur positive Resonanz bekommen."

Bluhm ist wohnungspolitische Sprecherin der Linken, die Bundestagsabgeordnete aus Schwerin hat dafür gesorgt, dass ihre Fraktion am Freitag eine Genossenschaft gegründet hat. Sie will dem Bund für rund 569 Millionen Euro mehr als zehntausend Wohnungen abkaufen und sie in Mieterhand überführen.

Bei den Immobilien, die zum größten Teil in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern liegen, handelt es sich um ehemaliges Treuhandvermögen, das in den Besitz der bundeseigenen Treuhandliegenschaftsgesellschaft TLG Immobilien übergegangen ist. Sie soll ehemals volkseigene Betriebe und Wohnungen an 53 Standorten in den neuen Länder verkaufen.

Ein erster Versuch der Privatisierung scheiterte 2008 wegen der Finanzkrise. Nun hat der Bund einen neuen Anlauf unternommen und den Immobilienkomplex europaweit ausgeschrieben. Unter den Bewerbern sollen strategische Investoren wie Patrizia und Deutsche Wohnen sein, aber auch Finanzinvestoren. Das sorgt nicht nur bei den Mietern für Ängste, sondern hat auch die Linkspartei auf den Plan gerufen.

"In meinem Wahlkreis in Strausberg gibt es knapp 1000 ehemalige Wohnungen der NVA, die gut vermietet sind", sagte die Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, Dagmar Enkelmann. "Da haben die Leute schon Sorge, was passiert, wenn die Heuschrecke kommt." Eigentlich wollte die Linkspartei die geplante Privatisierung der Ex-Treuhandwohnungen ganz stoppen, was jedoch scheiterte.

Die Linke befürchtet, dass mit dem Verkauf der Wohnungen die Mieten steigen und ältere und sozial schwache Mieter verdrängt werden. In Berlin und Dresden zeige sich, dass eine verbindliche Sozialcharta, wie sie Finanzminister Wolfgang Schäuble jetzt auch für den Verkauf der Treuhandwohnungen angekündigt habe, umschifft werden könne, so die baupolitische Sprecherin der Linken, Heidrun Bluhm. "Wir wollen die Mieter vor internationalen Finanzinvestoren schützen und die Wohnungen in ihre Hände legen." Mitbestimmen statt fürchten, heißt die Devise

Die Linksfraktion hat also am Freitag in aller Eile - die Meldefrist für Bieter lief ab - die "TreuhandliegenschaftsGenossenschaft Fairwohnen" gegründet, die sozialverträgliche Vermietungen sichern soll. 30 Abgeordnete haben Anteile gezeichnet. Aus der Privatschatulle, wie betont wird, nicht etwa aus verschwundenem SED-Vermögen. Bis zum Sommer muss nun ein konkretes Angebot vorgelegt werden, mit Hilfe eines Bankenkonsortiums, das sich bereit erklärt haben soll, das Projekt zu unterstützen. Welche Banken da gemeint sind, will die Linke nicht verraten. Wohl auch, weil noch wenig Konkretes vereinbart ist.

Klar ist nur, dass die Linke nun emsig um Zeichner von Anteilen wirbt: unter Abgeordneten, bei Kommunen, vor allem aber bei den Bewohnern selbst. "Mindestens die Hälfte der Mieterinnen und Mieter muss mitmachen, wenn der Plan Aussicht auf Erfolg haben soll", so Linken-Abgeordnete Bluhm. Sie weiß, dass ein Pflichtanteil von mindestens 500 Euro und weitere Folgezahlungen an die Genossenschaft keine Kleinigkeit sind für die oft finanzschwachen Mieter. Bei einer Eigenkapitalverzinsung von vier Prozent aber seien Anteile auch für Unbeteiligte lukrativ, hofft Bluhm. "Das ist mehr als das, was man sonst bei Banken kriegt." Wenn die Genossenschaft läuft, will die Linke sich daraus zurückziehen.

Leicht dürfte es nicht werden, genug Geld einzuwerben, um Banken zu überzeugen - und den Finanzminister, der schon aus parteipolitischen Gründen zögern dürfte, den Genossen den Zuschlag zu geben. Und wenn schon, sagen die Linken. Schon das Interesse, das die Aktion wecke, sei doch ein Erfolg. "Endlich mal wieder was Konkretes", sagt Dagmar Enkelmann, "nicht nur Personalien."

© SZ vom 18.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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