Tod von Kim Jong Nam:Nordkoreas Spionagethriller: Inspirierte ein Vulkan zum Mord?

Kim Jong Nam, Kim Jong Un

Der tote Kim Jong Nam (rechts) und sein Halbbruder, der Machthaber Nordkoreas Kim Jong Un: In der koreanischen Geschichte haben Herrscher immer wieder den Machtanspruch für sich und ihre Nachkommen mit einer "reinen Blutlinie" begründet

(Foto: AP)
  • Ein vierter Verdächtiger wurde nach dem Tod von Kims Halbbruder in Malaysia gefasst. Die Polizei nahm einen Nordkoreaner fest.
  • Pjöngjang verweigert die Anerkennung der Obduktion.
  • Die Gerüchteküche um Motive, Hintergründe und Tathergang brodelt.
  • Der Berg Paektu könnte zu dem Mord inspiriert haben.

War es wirklich ein Spray? Oder eine Spritze? Fiel Kim Jong Nam zu 100 Prozent einem Giftmord zum Opfer? Noch immer ist unklar, woran der Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers verstarb. Sicher ist nur, dass er am Montag auf dem Flughafen von Kuala Lumpur innerhalb weniger Sekunden angegriffen wurde - und starb. Südkoreanischen Medien zufolge sprühten ihm die Täter Gift ins Gesicht, bevor er an Bord einer Maschine nach Macau gehen wollte.

Fünf Tage danach warten die Ermittler noch immer auf das Ergebnis einer Obduktion. Die erste Untersuchung sei ergebnislos verlaufen, die malaysischen Behörden ordneten eine zweite Autopsie an, erfuhr die Nachrichtenagentur AP. Nordkorea will die Ergebnisse einer Autopsie allerdings sowieso nicht anerkennen. Das Land forderte, der Leichnam müsse unverzüglich überstellt werden. Dem malaysischen Gesundheitsminister zufolge werde die toxikologische Untersuchung der Todesursache insgesamt zwei Wochen Zeit beanspruchen, deshalb sei es auch vergeblich, dass Nordkorea die Herausgabe der Leiche beantragt habe.

Untätig sind die Behörden von Malaysia nicht: Zunächst wurden zwei junge Frauen, eine mit indonesischem Pass sowie eine mit Papieren aus Vietnam, als Hauptverdächtige sowie ein Malaysier (der der Freund der Indonesierin sein soll) festgenommen. Bei den Frauen wurde umgehend spekuliert, dass sie Agentinnen des nordkoreanischen Geheimdienstes sind. Gerade hat die Polizei von Malaysia einen weiteren Verdächtigen festgenommen: Es handelt sich um einen 46 Jahre alten Nordkoreaner. Nach drei weiteren Tatverdächtigen werde noch gefahndet.

Ausgetrickste Attentäterinnen?

Nur warum musste Kim Jong Nam sterben? Hatte er Spielschulden? Wollte er eine Exilregierung aufbauen? Musste er auf Geheiß seines Bruders sterben? Und: Wurden die potenziellen Attentäterinnen gar auf den Leim geführt? Laut Behörden in Jakarta sei die verdächtige Indonesierin bei dem Attentat offenbar "ausgetrickst" worden. Die Frau habe glauben sollen, sie nehme an einem Streich für eine Fernsehshow vom Stil "Versteckte Kamera" teil. "Wenn sie wirklich eine Agentin wäre, wäre sie wohl nicht gefunden worden", sagte Indonesiens Polizeichef.

Nun ja. Vieles deutet darauf hin, dass Pjöngjangs Geheimdienst bei dem Tod des 45-Jährigen seine Finger im Spiel hatte. Seit drei Generationen führen die Kims Nordkorea mit eiserner Faust. Ihr Familienstammbaum weist viele Namen von Mitgliedern auf, die entweder getötet oder ins Exil gezwungen wurden, weil sie den Machthabern zu gefährlich schienen. Auch dem jungen Kim Jong Un, der seit dem Tod seines Vaters Kim Jong Il im Dezember 2011 das isolierte Land führt, werden wenig Skrupel nachgesagt: So ließ er im Dezember 2013 seinen Onkel und Mentor Jang Song Thaek wegen angeblichen Verrats hinrichten.

Jetzt macht in Südkorea das Gerücht die Runde, wonach Kim Jong Nam gemeinsam mit Abtrünnigen aus Nordkorea eine Exilregierung aufbauen wollte und deshalb aus dem Weg geräumt wurde. Eine andere Spekulation besagt, dass China ihn zum Nachfolger seines Halbbruders aufbauen wollte, für den Fall, dass dem etwas zustoßen sollte. Wäre man Verschwörungstheoretiker, könnte die Meldung dazu passen, dass Peking gerade heute seine Kohleeinfuhren aus Nordkorea aussetzte. Laut chinesischem Wirtschaftsministerium sollen mit der Sperre Sanktionen der Vereinten Nationen umgesetzt werden. Damit geht dem fast vollständig isolierten Land eine wichtige Einnahmequelle verloren. Nordkorea war vergangenes Jahr Chinas viertgrößter Kohle-Lieferant.

In Internetforen wird deshalb die Vermutung geäußert, dass Pjöngjang gar nicht in den Tod Kims involviert war. Der war nämlich als Lebemann und passionierter Glückspieler bekannt und könnte - so die Vermutung - auch wegen Spielschulden umgebracht worden sein. Der südkoreanische Abgeordnete Kim Jongdae äußerte die Vermutung, dass eine Affäre mit einer Frau der Hintergrund gewesen sein könnte. Denn das Attentat sei so stümperhaft gewesen, dass niemals Geheimagentinnen dafür verantwortlich gewesen sein könnten.

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