Karnevalsauftritt in Mainz:Ein Tusch für Sarrazin

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Viel Lärm um nichts: Nach tagelangem Streit über den Fastnachtauftritt Thilo Sarrazins in Mainz stehen am Ende eine Büttenrede ohne Witz, ein Geehrter, der mit seinem Laudator fremdelt - und eine Demonstration, die die Karnevalisten gar nicht lustig finden.

Marc Widmann

In bunten Uniformen marschieren sie heran; empfangen werden sie von wütenden Demonstranten, 200 sollen es sein. "Hier kommen die Biedermänner und die Brandstifter", ruft ein grell geschminkter Mann bei jedem Karnevalist, der ins Mainzer Kurfürstliche Schloss strebt. Die Uniformierten ist an diesem Sonntagabend nur begrenzt lustig zumute. Sie bahnen sich mit versteinerten Gesichtern ihren Weg, bis einem Alten der Kragen platzt: "Kommunistenpack!"

Thilo Sarrazin beim Fastnachtsauftritt in Mainz: Vor dem Saal standen wütende Demonstranten, drinnen ging es ausnahmsweise einmal nicht um Ausländer. (Foto: dpa)

Drinnen, im großen Festsaal, geht es gemütlicher zu. Kaum zu glauben, dass der schmale Mann, der da mitten im Trubel im grauen Anzug steht, den ganzen Ärger ausgelöst hat: Thilo Sarrazin. Vor zwei Jahren erhielt er den Ehrenpreis der Mainzer Ranzengarde, der "Beelzebub aus Berlin", wie er sich an diesem Abend nennt. Er redet nicht über Ausländer, diesmal hält der frühere SPD-Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand eine Laudatio auf den frischen Preisträger, den Mainzer Kabarettisten Lars Reichow.

Er wirkt fahrig, der Tusch erklingt selten. Zum Beispiel, als er sagt: "Wer länger in der Politik war, der weiß: Ein bisschen muss man Zyniker sein, sonst verliert man den Verstand - was einigen in der Politik dauerhaft widerfährt und den meisten zeitweise."

Richtig lustig ist das nicht, aber es ist auch ein eher ernster Abend, weil über allem die Frage schwebt: Ist Sarrazin der richtige Laudator? Der Fastnachtsverein sagt natürlich ja. "Die freie Rede war immer ein wesentliches Element der Mainzer Fastnacht", verkündet Johannes Gerster, Generalfeldmarschall der Ranzengarde und früherer CDU-Landeschef. Da erklingt ein Tusch, der Saal klatscht lang, man fühlt sich jetzt als Hüter der Demokratie.

Sarrazin wirkt fremd in diesem Treiben, Lars Reichow auch. Der Geehrte hat Probleme mit seinem Laudator, er spricht sie auch aus. "Sie sind ein Spätzündler", ruft er dem 65-jährigen Sarrazin zu. Das klingt nach scharfer Kritik, aber dann sagt der Kabarettist auch: "Die Mehrheit ist ganz Ihrer Meinung", viele hätten Angst, sich nicht mehr zurechtzufinden im Land. "Sie sind ein bisschen ein Autist, aber für mich sind Sie kein Rassist." Draußen vor dem Schloss stehen noch zwei junge Leute. "Danke, Thilo!", steht auf ihren Plakaten. Sie kommen von der FDP.

© SZ vom 03.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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