Terrorfurcht in den USA:Zu Weihnachten kam al-Qaida zurück

Lesezeit: 4 min

In den USA wurde zuletzt über Barack Obama, Bankenrettung und Gesundheitsreform diskutiert - nun reißt der Terrorismus die Amerikaner aus der weihnachtlichen Ruhe.

Der Urlaub von US-Präsident Barack Obama war gerade einen Tag alt, da holte ihn brutal die Realität des Regierens wieder ein. Statt die sonnigen Strände Hawaiis zu genießen, ließ sich Obama am Samstag zum zweiten Mal per abhörsicherer Konferenzschaltung mit engsten Sicherheitsberatern verbinden.

Der Attentäter Umar Faruk Abdulmutallab konnte überwältigt werden - trotzdem zeigt sich nun wieder die alte Terrorfurcht. (Foto: Foto: dpa)

Thema: Der vereitelte Anschlag eines jungen Nigerianers auf einen US-Passagierjet vor Detroit - und wie es trotz alle Vorkehrungen so weit kommen konnte. Obama ordnete sofort eine Überprüfung der geltenden Sicherheitsvorkehrungen an. Der Präsident habe zwei Untersuchungen gefordert, sagte sein Sprecher Robert Gibbs. Zum einen sollten die Listen mit Namen potenzieller Terrorverdächtiger geprüft werden - und zum anderen müsse geklärt werden, wie es dem Angreifer gelang, mit dem Sprengstoff am Körper in das Flugzeug zu steigen.

Die geltenden Verfahren und Methoden seien "mehrere Jahre alt", merkte Gibbs an. US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano warnte vor Spekulationen über etwaige Verbindungen des Angreifers zum Terrornetzwerk al-Qaida. Die Ermittlungen zu dem Vorfall seien noch in vollem Gange und es sei "unangebracht", über derartige Verbindungen zu spekulieren. "Wir konzentrieren uns derzeit darauf, dass der Luftraum sicher bleibt und Passagiere zuversichtlich reisen können." Es gebe, so Napolitano, zudem bislang keine Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Attentäter im Rahmen einer größeren Operation und nicht als Einzeltäter gehandelt habe.

Gegen den 23-jährigen Angreifer Umar Faruk Abdulmutallab wurde in den USA Anklage erhoben. Laut Anklageschrift soll er versucht haben, den Airbus der Fluggesellschaft Northwest Airlines beim Landeanflug auf Detroit an Weihnachten mit Hilfe des hochexplosiven Sprengstoffs PETN in die Luft zu sprengen.

Angesichts von Wirtschaftskrise und Regierungswechsel hatte das Thema Terrorismus die Amerikaner zuletzt längst nicht mehr so beschäftigt wie noch vor ein paar Jahren. Ausgerechnet zur Weihnachtszeit kriecht nun die alte Terrorfurcht wieder hervor - zumal sich allen Relativierungen der Heimatschutzministerin zum Trotz die Hinweise häufen, dass abermals die Organisation al-Qaida ihr hässliches Haupt reckt und hinter den Plänen stecken könnte.

US-Medien wie das TV-Network ABC berichten, der verhinderte Attentäter Umar Faruk Abdulmutallab sei im Jemen für die Selbstmordmission trainiert worden - und auch die Bombe sei aus dem arabischen Land gekommen.

Nur ein defekter Zünder verhinderte laut Ermittlern ein Inferno: Die Maschine des Delta-Northwest-Airlines-Flug 253 hatte im Anflug auf Detroit gerade das Fahrgestell ausgefahren, da schreckt ein lauter Knall aus Richtung Reihe 19 die Passagiere auf. Erst dachte sie, ein Reifen sei geplatzt, sagte die Niederländerin Stephanie van Herk. Dann sah sie aber eine Stichflamme im Schoß eines Mannes eine Reihe hinter ihr. "Alle habe angefangen zu schreien", sagte sie dem Wall Street Journal: "Es gab Panik."

Schlimme Erinnerungen an den als "Schuhbomber" bekannten Briten Richard Reid werden wach, angesichts der Umstände des versuchten Anschlags vom Freitag. Der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab trug seinen Sprengsatz am Bein festgeschnallt, Reid hatte seinen 2001 im Turnschuh versteckt, als er - ebenfalls zu Weihnachten - einen Flug von Paris nach Miami in einem Inferno enden lassen wollte.

Beide verwendeten den hochexplosiven Plastiksprengstoff PETN. Vor drei Jahren hatten britische Behörden einen teuflischen Terrorplan aufgedeckt, bei dem die Attentäter explosive Chemikalien mit Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen gemischt werden wollten. Ihr Ziel - Flüge in die USA. Bis zu 2000 Menschen hätten sterben können, schätzten Ermittler.

Wie es scheint, hatte Abdulmutallab ähnliches vor, als er für 20 Minuten auf der Bordtoilette des Delta-Airbus verschwand - vermutlich um die Bombe scharf zu machen.

Seit Richard Reid müssen Passagiere bei Kontrollen an US-Airports und vor Flügen in die USA ihre Schuhe ausziehen. Später wurde auch die Menge der Flüssigkeiten begrenzt, die Fluggäste mit an Bord nehmen können. Und dennoch schlüpfte Abdulmutallab durchs Netz. Die niederländischen Anti-Terror-Behörden geben sich ratlos. Der Attentäter war von Amsterdam aus geflogen.

Der Vorfall ist Wasser auf die Mühlen von US-Experten, die seit Jahren vor veralteten Kontrollgeräten warnen. "Wir wissen seit langem, dass das möglich ist", sagte Anti-Terror-Fachmann Richard Clarke dem US-Sender ABC. "Wir müssen wirklich unsere Scanner-Geräte gegen modernere Apparate austauschen." Al-Qaida wisse um diese Schwäche des Sicherheitssystems auf US-Flughäfen sehr wohl, meint Clark, sie sei die "Achilles-Sehne" aller Schutzmaßnahmen.

Unvermeidliche Konsequenz des Beinahe-Infernos: US-Reisende müssen sich nun wieder stärker in Geduld üben. Präsident Obama erließ umgehend Order, die Sicherheitsvorkehrungen im Luftverkehr zu verschärfen. Und das, wo es gerade wieder entspannter auf amerikanischen Airports zuzugehen schien.

Erst im Oktober hatte die US-Behörde für Verkehrssicherheit (TSA) angekündigt, bald wieder größere Mengen Flüssigkeiten im Handgepäck erlauben zu wollen.

Terrorexperten überrascht es nicht, dass es sich bei dem verhinderten Attentäter um einen Nigerianer handelt. "Wir sind schon seit einer Weile besorgt über al-Qaida oder andere terroristische Organisationen in Nigeria", sagte der US-Abgeordnete Peter King, Mitglied des Ausschusses für Heimatschutz im Repräsentantenhaus. Der New York Times zufolge gibt es zudem seit Jahren Bedenken über die Qualität der Sicherheitskontrollen in dem westafrikanischen Land. Erst vorigen Monat jedoch befand die TSA, die Standards in Lagos entsprächen durchaus internationalen Normen.

Die Anti-Terror-Behörden dürften zudem ihren Blick fester auf den Jemen richten - und dort auf den radikalen Prediger Anwar al-Awlaki, der sich immer stärker zu einer Schlüsselfigur herauszukristallisieren scheint. Nicht nur soll Abdulmutallab über ihn Kontakt zu al-Qaida bekommen haben. Awlaki soll auch mit dem Attentäter von Fort Hood in Verbindung gestanden haben, der Anfang November auf der Militärbasis in Texas 13 Menschen erschoss und Dutzende weitere verletzte.

Am Donnerstag soll sich der fanatische Prediger in einem al-Qaida-Unterschlupf im Jemen aufgehalten haben, der Ziel eines Luftangriffs wurde. Mit von der Partie: hohe regionale Führer des Terrornetzes von Osama bin Laden. 30 Menschen starben, doch alle wichtigen Führer sollen überlebt haben.

© dpa/Frank Brandmaier - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

USA: Terroranschlag vereitelt
:Mit Sprengstoff an den Beinen an Bord

Weil die Bombe des Attentäters nicht richtig zündete, sind 289 Passagiere eines Airbus mit dem Schrecken davongekommen. Der Mann gab an, mit al-Qaida zusammenzuarbeiten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: