Bundesregierung:FDP lehnt Tempolimit-Deal der Union ab

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Tempo 130 auf deutschen Autobahnen wird nicht kommen. Jedenfalls dann nicht, wenn es nach der FDP geht. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Eine Verlängerung für die drei AKWs würde den Grünen wehtun. Tempo 130 auf Autobahnen würde der FDP wehtun. Warum nicht beides beschließen und das Ganze "nationaler Kompromiss" nennen, fragt die Union. Doch die Liberalen wollen nicht.

Es ist ein Manöver, das aus CDU-Sicht gleich doppelt Punkte bringt: Erstens: Den Wählerinnen und Wählern zeigen, dass man dazugelernt hat, und wie es in solchen Situationen dann gerne floskelig heißt, "ideologische Scheuklappen" ablegen kann. Zweitens: einen Keil in die Ampelkoalition treiben.

Vermutlich genau deshalb haben sich am Wochenende mehrere führende CDU-Politikerinnen und -Politiker für ein temporär gültiges Tempolimit auf deutschen Autobahnen starkgemacht, darunter die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien und Fraktionsvize Jens Spahn.

Die Zustimmung zu einem solchen Tempolimit, so heißt es aus der CDU, könne Teil eines "nationalen Kompromisses" sein, zu dem im Gegenzug auch gehöre, die drei verbliebenen Atomkraftwerke noch einige Monate länger am Netz zu lassen.

Diese sollen eigentlich am 31. Dezember dieses Jahres abgeschaltet werden. Das ist schon lange beschlossen. Seit Wochen läuft eine Debatte, diese Entscheidung zu revidieren, um den im Winter drohenden Energienotstand abzuwenden. Sie wird von Vertretern der Unionsparteien und auch von einigen FDP-Politikern auch in dem Wissen geführt, wie schwer eine solche Entscheidung für die Grünen-Spitze in der eigenen Anhängerschaft vermittelbar wäre.

FDP-Fraktionschef Dürr erteilt dem "Kuhhandel" eine Absage

Eine Sache, die den Grünen wehtut, gegen eine Sache, die Union und FDP wehtut, so lautet nun der Vorschlag von Prien und Spahn - es ist allerdings ein vergifteter Vorschlag, der die Uneinigkeit in der Koalition offenlegen würde.

Die FDP hat dem Ansinnen nun eine Absage erteilt. Fraktionschef Christian Dürr sagte, ein solcher "Kuhhandel" komme nicht in Frage. Die Regierung müsse "alles tun, um die drohende Gaslücke zu schließen". Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten könne dazu einen nennenswerten Beitrag leisten, das Tempolimit jedoch nicht.

"Wenn wir die Kernkraftwerke länger am Netz lassen, sparen wir Gas - denn wir verhindern, dass knappe Gasressourcen zur Stromerzeugung eingesetzt werden", sagt Dürr. Tatsächlich wird ein Teil des nach Deutschland importierten Gases zur Stromerzeugung genutzt. Im ersten Quartal dieses Jahr lag dieser Anteil bei 13 Prozent. Er fällt jedoch derzeit stark. Denn weil der Gaspreis stark gestiegen ist, ist diese Form der Stromerzeugung immer weniger rentabel. Im Falle eines Lieferstopps russischen Gases nach Deutschlands will Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck erreichen, dass möglichst gar kein Gas mehr zur Stromerzeugung genutzt wird. Die entstehende Lücke will er schließen, in dem Kohlekraftwerke einspringen, die bisher zur Energiereserve zählen.

Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte Habecks Haus auch eine Prüfung vorgenommen, ob eine Betriebsverlängerung für die drei AKWs grundsätzlich infrage käme. Diese Prüfung verlief jedoch negativ, auch deshalb, weil für einen mittelfristigen Weiterbetrieb nach Aussagen des Ministeriums die Beschaffung neuer Brennstäbe nötig wäre und nicht einmal die Betreiber selbst ein Interesse signalisiert hatten, die Anlagen länger laufen zu lassen.

Nun relativiert das Wirtschaftsministerium diese prinzipielle Absage jedoch ein wenig. Es verweist auf eine neu angeordnete Prüfung der Sicherheit der Stromversorgung unter bestimmten Szenarien. "Auf der Basis dieser Ergebnisse wird dann entschieden, was zu tun ist", so eine Sprecherin. Ein erster Stresstest für das Stromsystem hatte laut Ministerium ergeben, dass eine Laufzeitverlängerung nicht nötig sei. Jetzt aber habe man die Stromnetz-Betreiber zu einem zweiten Test unter verschärften Annahmen aufgefordert, das Ergebnis soll in einigen Wochen vorliegen. "Wir rechnen jetzt noch mal und entscheiden dann auf der Basis von klaren Fakten", so Habecks Sprecherin. Auch Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann betont, die Frage der Laufzeitverlängerung sei nie eine ideologische, sondern immer eine fachliche für die Regierung gewesen.

Für Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann ist das jedoch noch lange keine Abkehr von der bisherigen Linie der Grünen. "Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens zum Ausstieg aus der Atomkraft, den setzen wir nicht aufs Spiel", sagt Haßelmann. Die Atomkraft sei eine "Hochrisikotechnologie" und "mit Atomstrom einen Gasmangel beheben zu wollen, das ist und bleibt eine Scheindebatte", so die Grünen-Politikerin. Die Versorgung mit Strom sei auch unter verschärften Bedingungen gewährleistet.

FDP-Mann Dürr sagt, er habe großes Verständnis dafür, dass sich besonders die Grünen mit einer Laufzeitverlängerung schwertun. "Aber es geht uns nicht darum, ideologische Atomkraftdebatten wieder aufzumachen, sondern lediglich um eine befristete Maßnahme zur Einsparung von Gas."

Über ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen wird schon seit Jahren immer wieder erbittert gestritten. Die Debatte hat in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen, weil sich in mehreren Umfragen eine knappe Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für Tempo 130 ausgesprochen hatte. Sogar die Mitglieder des ADAC hatten bei einer Befragung einmal dafür votiert. Infolge des Ukraine-Kriegs ist die Idee nun wieder in den Blick gerückt - als möglicher Beitrag zum Energiesparen. Die FDP sperrt sich dagegen. Sie hatte das Tempolimit schon in den Koalitionsverhandlungen abgelehnt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kürzlich in der ihm eigenen Art ein Machtwort zum Tempolimit gesprochen. "Das hat diese Regierung nicht vereinbart, und deswegen kommt es auch nicht."

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