Nach der Wahl:Es wird kompliziert in Taiwan

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Lai Ching-te (DPP, li.) schüttelt Ko Wen-je (TTP) die Hand. Gut möglich, dass sie sich für die Regierung zusammentun. Hou Yu-ih (M.) von der KMT wird dann zuschauen müssen. (Foto: Huang Shih-Chi/AFP)

Die China-kritische Fortschrittspartei hat die Präsidentschaftswahlen in Taiwan gewonnen, aber die Mehrheit im Parlament verloren. Was das für Taiwans neuen Präsidenten bedeutet.

Von Lea Sahay, Taipeh

Auf den ersten Blick waren die Präsidentschaftswahlen ein Sieg für die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) und deren Kandidaten Lai Ching-te. Der bisherige Vizepräsident errang 40 Prozent der Stimmen, ab Mai wird er das Amt des taiwanischen Präsidenten übernehmen.

Anders sieht es allerdings im Parlament aus, das zeitgleich gewählt wurde. Auf die DPP entfielen nur 51 der 113 Sitze, zehn weniger als bisher. Die Kuomintang (KMT), die sich für eine Annäherung zu Festlandchina ausspricht, wurde mit 52 Sitzen größte Parlamentspartei. Die TPP erhielt acht Sitze, zwei gingen an unabhängige Kandidaten.

Die Taiwanische Volkspartei dürfte zukünftig eine wichtige Rolle spielen

Mit Blick auf die neuen Machtverhältnisse kündigte Lai in seiner Siegesrede am Samstag eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien an, um "politische Differenzen" zu überbrücken, seine Partei müsse sich nach diesem Wahlergebnis "prüfen". Der 64-Jährige versprach zudem, "im Geiste eines demokratischen Bündnisses" Regierungsposten ungeachtet politischer Zugehörigkeit zu besetzen.

Ohne die Mehrheit im Parlament ist die DPP auf Unterstützung angewiesen, gerade in wichtigen Bereichen wie der Verteidigung oder dem Haushalt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang Januar hatte Lai erklärt, der Präsident und sein Stellvertreter würden "das Steuer in der Hand halten", während das Parlament als "Motor" diene.

Eine wichtige Rolle dürfte zukünftig die Taiwanische Volkspartei (TPP) spielen. Die Partei wurde erst 2019 vom früheren Bürgermeister von Taipeh, Ko Wen-je, gegründet. Die Wahl damals gewann er als unabhängiger Kandidat, aber mit Unterstützung der DPP.

In den vergangenen Jahren vertrat der 64-Jährige eine zunehmend prochinesische Haltung. Während er die Studentenproteste gegen ein Handelsabkommen mit China 2014 noch unterstützte - die das Vorhaben zum Scheitern brachten - versprach er im Wahlkampf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen. Für Ko gehören beide Seiten der Taiwanstraße zu einer "Familie".

Eine Zusammenarbeit zwischen der DPP und TPP könnte kompliziert werden

Zwischen den zwei Großparteien gab sich der studierte Mediziner als Versöhner. Beide Parteien hätten die Feindseligkeiten innerhalb der Gesellschaft verstärkt, sagte Ko. Er versprach, Taiwans Probleme rationaler und praktischer anzugehen. Unter jüngeren, von der DPP enttäuschten Wählern konnte Ko gerade mit Wirtschaftsthemen viele Stimmen für sich gewinnen.

Unkompliziert dürfte eine Zusammenarbeit zwischen den Parteien aber nicht werden. Der Versuch der KMT und TPP vor den Wahlen ein Bündnis zu schmieden, war nach wochenlangen Verhandlungen bei einer chaotischen Pressekonferenz in letzter Minute gescheitert. Während die KMT nun vor allem versuchen dürfte, jegliche Vorhaben der DPP zu behindern, hatte Ko im Wahlkampf für einen konstruktiveren Umgang in der Politik geworben. Eine reine Blockade-Allianz dürfte seine Wähler verärgern.

Während der Druck aus Peking als Reaktion auf die Wahl weiter steigen dürfte, könnte sich die DPP durch den Erfolg der Opposition gezwungen sehen, versöhnlichere Töne anzuschlagen.

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Erst am Montag brach die kleine Pazifikinsel Nauru ihre Beziehungen zu Taiwan ab, um stattdessen China anzuerkennen. Der Zwergstaat mit 11 500 Einwohnern gehörte zu den letzten 13 Ländern, inklusive des Vatikans, die Taiwan als souveränes Land anerkennen.

Die diplomatische Isolation ist Teil der chinesischen Versuche, die Demokratie vor seiner Küste zu einer freiwilligen Vereinigung zu zwingen. Neben militärischen Drohgebärden, Cyberattacken und Fake-News-Kampagnen verhindert Peking auch die Vertretung Taiwans in internationalen Organisationen, darunter in der Weltgesundheitsorganisation. Lai hatte nach seiner Wahl angekündigt, Gespräche mit Peking anzustreben, allerdings betont, Taiwan vor den Drohungen des Nachbarlands zu schützen.

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