Die Gesellschaft ist politisiert wie lange nicht mehr. Hunderttausende Deutsche treibt die Sorge um die Zukunft regelmäßig auf die Straße. Die "Fridays for Future"-Proteste für mehr Klimaschutz oder die "#Unteilbar"-Demonstrationen für eine offene und freie Gesellschaft, wie zuletzt am Wochenende in Dresden, sind nur die prominentesten Beispiele. Aufstehen, mitreden, mitmachen: Darauf ist Demokratie angewiesen. Erst recht dann, wenn sie unter Stress steht - wie in diesen Tagen.
Weltweit sind Verächter liberaler Prinzipien auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland vergiften Scharfmacher mit Lügen, Hetze und Hass den Diskurs - online und offline. Sie befeuern die Dauerempörung und treiben die Gesellschaft auseinander. Konstruktive Debatten über wichtige Zukunftsfragen drohen unter all dem Geplärr zu ersticken.
Raus aus der Filterblase
Werkstatt Demokratie:Wie gesellschaftlicher Zusammenhalt gelingt
Soziale Milieus entwickeln sich auseinander, Tabubrüche nehmen zu: Die Politologin Nicole Deitelhoff über Risiken für die Gesellschaft, Streit als Quelle der Erneuerung - und die Frage, was politisch zu tun ist.
Der wachsende Erfolg der neuen Protestbewegungen deutet darauf hin, dass sich viele Menschen, gerade auch Jugendliche, damit nicht länger abfinden wollen. Sie engagieren sich, dringen auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jenen Themen, die sie für wichtig halten, und auf konkrete politische Entscheidungen. Doch wie lassen sich Lösungen finden, die die ganze Gesellschaft weiterbringen?
Am Anfang steht der Austausch. "Wer gar nicht spricht und erst recht nicht zuhört, kommt Lösungen kein Stück näher", mahnte vor einiger Zeit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Raus aus der eigenen Blase, rein in den Dialog mit Menschen, die anderer Meinung sind, streiten ohne Schaum vorm Mund: Darauf komme es an.
Nach vorne denken
Zivilisiert streiten und Lösungen suchen: Das steht auch im Mittelpunkt der Werkstatt Demokratie - ein Projekt der Süddeutschen Zeitung in Kooperation mit der Nemetschek Stiftung, das jetzt in die nächste Runde geht. Zum Auftakt können Leserinnen und Leser noch bis Samstag auf SZ.de darüber abstimmen, welche Frage im Mittelpunkt der Werkstatt Demokratie im Herbst stehen soll. Zur Auswahl stehen:
1. Klimakrise - wie retten wir die Zukunft?
2. Hass, Hetze, Gewalt - was tun gegen Attacken von rechts?
3. Ost-West-Konflikte - wie wird Deutschland gerechter?
Hier können Sie abstimmen:
SZ-Redakteure recherchieren anschließend zum Thema mit den meisten Stimmen. Die Ergebnisse sollen Mitte Oktober auf SZ.de und in der Süddeutschen Zeitung präsentiert werden. Die Informationen bilden die Basis für die Debatten, zu denen die Redaktion interessierte Bürgerinnen und Bürger einlädt - im Netz sowie bei Veranstaltungen in München und in Erfurt am 18. und 19. Oktober, kurz vor der Landtagswahl in Thüringen. Wie Sie sich anmelden können, erfahren sie in Kürze auf SZ.de.
Integration durch Konflikt
Ein wichtiges Ziel ist, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und verschiedenen Sichtweisen miteinander ins Gespräch zu bringen. Wie bei der Werkstatt Demokratie zum Thema Wohnen (mehr dazu hier) oder zu Europas Zukunft (mehr dazu hier) wollen wir wieder mit neuen Diskussionsformaten experimentieren. Dabei werden nicht Probleme, sondern Lösungsansätze im Vordergrund stehen. Diese sollen in Workshops erarbeitet und anschließend vorgestellt werden.
Konflikte können eine integrative Kraft entfalten und "Chance des Fortschritts" sein, wenn sie entsprechend ausgetragen werden. Darauf hat schon der Soziologe Ralf Dahrendorf hingewiesen.
Das gilt nicht nur für die Auseinandersetzung mit und innerhalb von Gruppen oder Bewegungen, wie bei "Fridays for Future" oder "#Unteilbar". Sondern auch für Diskussionen zwischen Einzelnen - im Privaten oder eben auch in der Werkstatt Demokratie der SZ. Sie soll einen Rahmen bieten für einen zivilisierten, lösungsorientierten Wettstreit um die besten Ideen, oder kurz: fürs Mitmachen beim Bessermachen.