Syrien:Trumps Schlag gegen Assad

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Der US-Präsident hat mit dem Raketenangriff auf eine Militärbasis Putin herausgefordert. Nun droht eine Eskalation.

Von Moritz Baumstieger und Stefan Kornelius

SZ-Karte; Quelle: IHS Conflict Monitor, liveuamap.com (Foto: SZ-Karte; Quelle: IHS Conflict Monitor, liveuamap.com)

Mit einem Raketenangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt hat US-Präsident Donald Trump Verbündete und Gegner überrascht und die Vereinigten Staaten auf den momentan schlimmsten Kriegsschauplatz der Welt zurückkatapultiert. 59 Lenkraketen wurden am frühen Freitagmorgen von Kreuzern der US-Marine im Mittelmeer auf das Flugfeld al-Schairat im Westen Syriens abgefeuert, wo sie eine Landebahn, Tanklager, Hangar und Flugzeuge zerstört haben sollen. Eine syrische Nachrichtenagentur berichtete von mindestens neun Toten.

Trotz der Zerstörungen flogen syrische Kampfjets nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte von al-Schairat aus neue Luftangriffe. Der US-Angriff löste unmittelbar eine Krise zwischen den USA und Russland aus, das sich als Schutzmacht des syrischen Machthabers Baschar al-Assad versteht und das Kriegsgeschehen in Syrien weitgehend kontrolliert. "Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand", sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow. Im UN-Sicherheitsrat machten Russland und die USA am Freitagabend einander heftige Vorwürfe. Moskau hatte zuvor die Luftraum-Koordination mit den USA für alle Flüge über Syrien aufgekündigt, was Sicherheitsexperten mit Sorge registrierten. Die Absprachen über militärische Flüge haben Zwischenfälle bisher verhindert.

Trump wandte sich in einer kurzen Botschaft an die Nation und begründete den Angriff mit dem Chemiewaffeneinsatz, der am Dienstag in der Stadt Khan Scheikhun bis zu 70 Menschen, darunter viele Kinder, das Leben gekostet hat. Trump sprach vom "lebensnotwendigen nationalen Sicherheitsinteresse" der USA, die Verbreitung und den Einsatz chemischer Waffen zu verhindern. Trump zeigte sich insbesondere vom Schicksal der toten Kinder betroffen.

Die US-Botschafterin bei den UN, Nikki Haley, drohte am Freitagabend mit weiteren Angriffen gegen Assads Streitkräfte, sagte zugleich aber, "wir hoffen, dass es nicht nötig sein wird".

Bisher hatten die USA nicht direkt Machthaber Assad und sein Regime angegriffen, sondern sich auf die Bekämpfung der Terrormiliz IS und die Unterstützung von Widerstandsgruppen konzentriert. Russland wurde vor dem Angriff informiert, damit es Soldaten und Hubschrauber in Sicherheit bringen konnte.

Die schnelle Festlegung der US-Regierung, dass Assad für den Chemiewaffenangriff verantwortlich ist, stützt sich auf mindestens zwei Belege: Zum einen wollen die Geheimdienste von Washingtons Verbündetem Israel herausgefunden haben, dass die Attacke auf Khan Scheikhun von hohen Beamten des Regimes gebilligt worden war, wenn nicht sogar von Assad selbst. Das berichtet die Zeitung Haaretz.

Zum anderen sollen Pentagon-Mitarbeiter über Radar- und Satellitenbilder mitverfolgt haben, wie ein syrischer Kampfjet zum Zeitpunkt der Attacke am Dienstagmorgen über Nordsyrien und Khan Scheikhun kreiste. Eine entsprechende Karte mit der Route des vom Stützpunkt al-Schairat gestarteten Jets veröffentlichte das Verteidigungsministerium. Zeugen beschrieben eine Bombenexplosion und eine Wolkenbildung, wie sie für chemische Waffen typisch ist.

Unterstützer Assads wenden gegen diesen Vorwurf ein, dass ein Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Sinn für das Regime ergäbe: Nach der Rückeroberung Aleppos sei das Regime militärisch ohnehin im Vorteil gewesen, selbst die Vereinigten Staaten und die Türkei waren zuletzt bereit, Assad als Machtfaktor anzuerkennen. So hatten US-Außenminister Rex Tillerson und Nikki Haley, die Botschafterin bei den UN, noch Anfang der Woche gesagt, ein Regimewechsel sei nicht weiter im Interesse der USA.

Betrachtet man jedoch das Vorgehen der Regierungsarmee und ihrer Verbündeten im Bürgerkrieg, passt die Attacke von Khan Scheikhun durchaus in das taktische Muster: Um Gebiete unter Kontrolle von Aufständischen wird nach Möglichkeit ein Belagerungsring gezogen, sodass Waffen- und Hilfslieferungen verhindert werden. Es folgen Flächenbombardements, der Beschuss von Krankenhäusern, Märkten und Bäckereien - und Berichten zufolge immer wieder der Einsatz chemischer Kampfstoffe. Bisher reagierte das Ausland lediglich mit Betroffenheit.

Wenn die Armee die Aufständischen zu Verhandlungsbereitschaft gebombt hatte, verlangte sie etwa in Homs, Ost-Aleppo oder dem Wadi Barada bei Damaskus die Kapitulation und die Übergabe des betroffenen Gebiets. Im Gegenzug bekamen Kämpfer mit ihren Familien freies Geleit und durften in ein anderes Rebellengebiet weiterziehen - zuletzt vor allem in jene von islamistischen Milizen kontrollierte Gegend um Idlib, in der auch Khan Scheikhun liegt. Nach dem Fall von Aleppo erwarteten viele Beobachter, dass sich Assads Armee in ihren Angriffen nun vor allem auf diese Region konzentrieren würde.

Mit ihrem Angriff werden die USA neues Gewicht auch in den politischen Verhandlungen um einen Frieden verlangen. Spekuliert wird erneut über ein Flugverbot oder eine geschützte Fluchtzone für Aufständische an der syrisch-türkischen Grenze. Trump hatte in den vergangenen Tagen angedeutet, dass Machthaber Assad nicht länger eine Rolle spielen dürfe.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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