Syrien:Geld wird fließen - und Blut

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Die Arabische Liga trägt Zwietracht in die ohnehin gespaltenen Reihen der syrischen Rebellen. Mit dem geplanten Unterstützungsfonds für die Aufständischen machen sie den Konflikt unübersichtlicher und brutaler.

Sonja Zekri

Natürlich ist es immer noch möglich, dass die syrischen Panzer abdrehen - wie Damaskus behauptet, wie die Opposition dementiert; dass sich plötzlich Ruhe senkt auf die Trümmer von Baba Amr, auf Daraa, Idlib und Hama. Natürlich könnte der syrische Präsident Baschar al-Assad das Feuer einstellen lassen, die Truppen abziehen und dem Friedensplan von Kofi Annan unerwartet zum Durchbruch verhelfen. Und vielleicht ist die Erde doch eine Scheibe.

Annans Friedensplan sieht nicht nur eine Waffenruhe vor, an die sich auch einige der bewaffneten Aufständischen nicht halten wollen, und einen Dialog mit dem Regime, den die Opposition als Zumutung empfindet, sondern auch das Recht auf Demonstrationen und ungehinderte Berichterstattung. Welchen Grund aber hätte Assad, der ein Jahr lang unter Aufbietung letzter Kräfte die Proteste gerade mal eingedämmt hat, nun eine Explosion des Unmuts zu riskieren?

Annans Diplomatie folgt dem nobelsten Bemühen um ein Ende des Blutvergießens. Aber sie wird von Mitgliedern eben jener Arabischen Liga unterlaufen, die ihn nach Damaskus schickte. Sie bietet eine Lösung für einen Konflikt, der für zu viele Parteien zu attraktiv geworden ist, um ihn jetzt so zu beenden.

Seit dem Ausbruch der arabischen Volksaufstände vor einer gefühlten Ewigkeit hat es viele Wege gegeben, den friedlichen, freiheitstrunkenen, demokratiefreudigen Massen in den Monaten danach ihren Erfolg zu nehmen. In Ägypten tragen Generäle und Islamisten den Kampf um die Macht weitgehend unter sich aus. In Libyen herrschen Milizen, in Jemen de facto die Sippschaft von Ex-Präsident Ali Abdullah Salih. Nirgends aber ist der Betrug am Freiheitswillen der Menschen so groß wie in Syrien. Viele Aufständische lehnen selbst nach diesem entsetzlichen Jahr jede Gewalt ab - nur sind sie für die Zukunft ihres Landes zusehends irrelevant.

Ob Assad fällt, und was danach geschieht, dafür ist beispielsweise jener millionenschwere Fonds entscheidender, den Saudi-Arabien und Katar zum Wohle des Aufstandes auflegen wollen, in den aber auch Amerika und Dutzende andere Länder Geld einzahlen möchten. Dass die Golfkönige mit ihren Petrodollars einen Aufstand finanzieren wollen, den sie zu Hause ihren Untertanen mit weit höheren Summen abgekauft haben, ist nur einer der flagranten Widersprüche dieses Projekts.

Das Geld, so heißt es, solle nicht für Waffen ausgegeben werden, wohl aber für Gehaltszahlungen an die "Freie Syrische Armee". Es soll die bewaffneten Assad-Gegner einen und stärken - als wäre das Honorar die Hauptsorge der Kämpfer. Noch immer fehlt eine Befehlskette für die einsam operierenden Brigaden und ein Kommando der "Freien Armee", das aus dem Exil mehr befehligt als sich selbst. Das fragmentierte syrische Schlachtfeld lässt sich logistisch nicht mit der Infrastruktur deutscher Bürgerbüros vergleichen. Schon jetzt verdächtigen sich die Rebellen gegenseitig der Bereicherung. Und nun soll noch mehr Geld fließen?

Saudi-Arabien und Katar tragen Zwietracht in die ohnehin gespaltenen Reihen der Kämpfer. Sie befördern die Brutalisierung einer Konfrontation, in der Täter und Opfer von Woche zu Woche schwerer zu erkennen sind. Eines aber tun sie nicht: Anders als ihnen oft vorgehalten wird, kaufen sie sich aus dem Syrien-Konflikt nicht heraus, sondern im Gegenteil erst hinein.

Sollbruchstelle des schiitischen Halbmondes

Gewiss, auch Christen, schiitische Alawiten und sogar ein paar Drusen marschieren und kämpfen gegen Assad. Die überwältigende Mehrheit aber sind die vernachlässigten Sunniten aus der Provinz, die der alawitische Assad-Clan und seine sunnitischen Geschäftsfreunde von Macht und Wohlstand fernhielten. Und je länger sich die Opposition um eine klare Vision für die Nach-Assad-Zeit drückt, umso größer wird die Sorge der Minderheiten, umso größer wird aber auch die Hoffnung der Golfstaaten, dass das neue Syrien ein stramm sunnitisches wird, religiös konservativ, rachsüchtig wegen der Exzesse schiitischer Alawiten und damit ein natürlicher Verbündeter gegen Riads schiitischen Rivalen Iran.

Syrien wäre die Sollbruchstelle des schiitischen Halbmondes. Die Aufstände in Tunesien, Ägypten und auch in Libyen haben nach dem Sturz der Tyrannen sunnitischen Islamisten zum Durchbruch verholfen. Ausgerechnet eine Volksbewegung hat damit jene schiitische Welle gebrochen, die seit der islamischen Revolution in Iran, vor allem aber seit dem Aufstieg der libanesischen Hisbollah in den Augen vieler Araber Opfermut, Volksnähe und Widerstand gegen den Unterdrücker symbolisierte.

In Saddam Hussein hat Amerika den Prototypen des sunnitisch-säkularen Despoten erledigt, Iraks Schiiten an die Macht gebracht und Teheran in die Hände gespielt. Nun verfolgt Bagdads schiitische Regierung den Aufstand der syrischen Sunniten mit Sorge. Auch die libanesischen Sunniten, der schiitischen Hisbollah militärisch und politisch weit unterlegen, hegen und pflegen die verwundeten syrischen Kämpfer und lesen in den jüngsten Hisbollah-Depeschen erste Anzeichnen von Schwäche. Es gibt viele Pläne für Syrien. Die aussichtsreichsten werden nicht in Syrien geschmiedet.

© SZ vom 11.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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