Syrien:Der reiche Cousin stänkert gegen Assad

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Ein brennendes Bild des Familienclans während eines Protests 2011: Machthaber Baschar al-Assad unten, Rami Makhlouf rechts oben. (Foto: AFP)

Der Clan um Syriens Machthaber Baschar al-Assad hielt bisher zusammen. Nun aber könnte ein interner Streit für das Regime gefährlich werden.

Von Moritz Baumstieger, München

Jede Familie hat eigene Wege, um Konflikte auszutragen. Der Weg, den der Syrer Rami Makhlouf gerade wählt, ist jedoch ungewöhnlich - schon weil er eine herausgehobene Rolle im syrischen Herrscherclan innehat, einer so machthungrigen wie verschworenen Sippe. Zwist und Palast-Intrigen mag es auch in Damaskus ab und an geben, nach außen hielt der Clan um Machthaber Baschar al-Assad aber stets zusammen. Zumindest bis 1. Mai, da veröffentlichte Rami Makhlouf ein Video auf Facebook. Er beklagte sich, wie ungerecht er behandelt werde - und ließ zwei Tage später ein weiteres Video folgen, in dem er subtile Drohungen untermischte. Ein Facebook-User kommentierte: "Wissen die Assads nicht, wie man eine Familien-Whatsapp-Gruppe einrichtet?"

Zumindest Makhlouf dürfte mit dem Nachrichtendienst bestens vertraut sein, schon aus beruflichen Gründen. Er ist Herr über ein Firmenimperium, das ihn zum reichsten Mann Syriens machte: Schätzungen zufolge kontrollierte der heute 50-Jährige vor Kriegsbeginn bis zu 60 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes, verdiente im Tourismus wie in der Schwerindustrie, als Lizenznehmer im Autoimport oder bei Verbrauchsgütern. Seine ergiebigsten Geldquellen sprudelten aber im Kommunikationssektor: Der größere der beiden syrischen Mobilfunkanbieter Syriatel gehört ihm allein, der kleinere MTN in Teilen.

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Eine Auseinandersetzung um Syriatel scheint nun zumindest nach außen hin der Anlass für Familienstreit zu sein: Die syrischen Behörden forderten von ihm 120 Millionen Dollar zusätzliche Abgaben, beklagt Makhlouf, und das, obwohl er doch immer alle Steuern bezahlt habe. "Herr Präsident, ich bitte Sie, das ist die Wahrheit!", fleht Makhlouf in seinem ersten Video.

Schon diese Aufnahme, die Makhlouf vor einem Stapel Kaminholz in einer Villa aufnahm, war bemerkenswert. Schließlich bestätigte Assads Cousin damit Gerüchte über Verwerfungen in der Familie, die seit Spätsommer 2019 in Syrien die Runde machten: Makhlouf, ein Kindheitsfreund des Diktators, der nur durch dessen Gunst sein Milliardenvermögen anhäufen konnte, scheint keinen Zugang mehr zum Präsidenten zu haben. Dass er nun den Weg über die Öffentlichkeit wählen muss, um Assad zu erreichen, hat Unterhaltungswert - offenbart jedoch auch Verschiebungen im Machtgefüge: Makhlouf war lange ein enger Vertrauter Assads, der nach Beginn der Massendemonstrationen 2011 auf eine harte Linie drängte und den Krieg gegen das eigene Volk mitfinanzierte.

Genau daran erinnert Makhlouf den Cousin im zweiten Video: "Kann sich irgendjemand vorstellen, dass der Geheimdienstapparat Firmen von Rami Makhlouf verfolgt?", fragt er rhetorisch. Schließlich sei er dessen "größter Spender während des Krieges gewesen. Doch leider haben sich die Dinge geändert". Agenten hätten Angestellte seiner Firmen verhaftet, um Druck auszuüben. Berichten zufolge ist unter ihnen etwa der Chefredakteur der Zeitung al-Watan, die Makhlouf gehört, seit Kurzem aber mit Schlagzeilen gegen den Eigentümer aufmacht.

Er ist Herr über ein Firmenimperium, das ihn zum reichsten Mann Syriens machte: Rami Makhlouf ist ein Cousin von Präsident Baschar al-Assad – aber nun offenbar in Ungnade gefallen. (Foto: AP)

Die fragliche Summe von 120 Millionen Dollar zu begleichen, sollte eigentlich ein Leichtes sein für einen Multimilliardär wie Makhlouf - doch nachdem er im ersten Video noch anbot, sie direkt an seinen Cousin abzuführen, weigert er sich nun, überhaupt zu zahlen. Dies lässt Beobachter darauf schließen, dass es im Familienzwist von Damaskus um weit mehr gehen könnte als um den Versuch des nach neun Jahren Krieg nahezu mittellosen Staates, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Manche vermuten Assads Frau Asma hinter der Kabale, andere sind sich sicher, dass Makhlouf Russland oder Iran in die Quere kam, den beiden Verbündeten, von denen Assad abhängig ist. Dass der Streit für das Regime gefährlich werden könne, raunt Makhlouf in seinem zweiten Video: "Wenn wir so weitermachen, wird die Situation des Landes - bei Gott - eine sehr schwierige werden."

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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