Stuttgart:Letzte Frist für den Diesel

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Baden-Württemberg bringt Fahrverbote in Stuttgart auf den Weg. Die Industrie hat noch bis August Zeit, das abzuwenden. Gelingt das nicht, könnten ältere Dieselfahrzeuge erheblich an Wert verlieren.

Von Max Hägler, Josef Kelnberger und Stefan Mayr, Stuttgart

Die baden-württembergische Landesregierung macht Ernst mit ihrer Absicht, in Stuttgart Verbote für Dieselfahrzeuge zu verhängen. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann legte am Freitag den neuen Luftreinhalteplan für Stuttgart vor. Der wichtigste Punkt: Vom 1. Januar 2018 an sollen Diesel-Pkw, die nicht der strengen Euro-Norm 6 entsprechen, an Tagen mit "Feinstaubalarm" aus der Landeshauptstadt ausgesperrt werden. Damit wollen die Behörden die Belastung mit Feinstaub und vor allem Stickoxid senken. Das Vorgehen dürfte wegweisend sein für 80 deutsche Städte, in denen die Stickoxid-Grenzwerte überschritten werden. Sollte diese Praxis Schule machen, wären bundesweit mehrere Millionen Diesel-Fahrer betroffen.

Mit ihrem Konzept reagiert die grün-schwarze Regierung auf den Druck der EU-Kommission und auf Gerichte, die wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bürger fordern. Gleichzeitig setzt das Autoland Baden-Württemberg die Automobilindustrie unter Druck. Die Konzerne prüfen derzeit die Möglichkeit einer Nachrüstung von älteren Dieselfahrzeugen. Sollten dadurch die Grenzwerte eingehalten werden, könnten die Verbote hinfällig werden, sagte Hermann. Bis Ende August haben die Konzerne Zeit, im September soll der Luftreinhalteplan in Kraft treten. Er geht nun in die öffentliche Anhörung.

Am kommenden Mittwoch wird es ein Gespräch zwischen Regierung und Konzernen über die Nachrüstung geben. "Mit leeren Händen können wir nicht kommen", heißt es aus einem Autounternehmen. Die Hersteller hoffen, dass verhältnismäßig günstige Änderungen bei der Motorsoftware ausreichen, um die Abgase sauberer zu machen. Doch werden wohl teilweise Katalysatoren nötig, die 2000 oder 3000 Euro teuer werden könnten. Verkehrsminister Hermann schätzt, dass die Nachrüstung in ganz Deutschland fünf bis zehn Milliarden Euro kosten wird und sieht dabei die Industrie in der Pflicht. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Aufteilung der Kosten, die auch den Staat und die Autobesitzer belasten würde.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat erkennen lassen, dass er auf die Verbote am liebsten verzichten würde. Der Koalitionspartner CDU bezeichnet sie als allerletztes Mittel und hofft ebenfalls auf eine Nachrüstung. Denn die angekündigten Verbote haben zu heftigen Protesten geführt. Die Euro-Norm 6 gilt für Neufahrzeuge erst seit September 2014. Betroffen von den Maßnahmen sind also auch Autos, die noch nicht einmal drei Jahre alt sind. Sie würden, sollten sie nicht nachgerüstet werden können, erheblich an Wert verlieren. Zudem ist es schwierig, die Verbote zu kontrollieren.

Selbst Minister Hermann räumt ein, dass die Ausschilderung mit Verbots- und zusätzlichen Hinweiszeichen "völlig unpraktikabel" ist. Aber das sei "die einzige Maßnahme, die uns der Bund zur Verfügung stellt". Gemeinsam mit Kretschmann hatte er für die Einführung einer "blauen Plakette" gekämpft. Sie würde bundeseinheitlich eine neue Umweltzone mit Beschränkungen für Diesel-Autos definieren. Das Vorhaben scheiterte aber am Widerstand von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Ob und wie die geplanten Fahrverbote kommen, ist auch aus juristischen Gründen umstritten. Verwaltungsrechtler bezweifeln, dass es rechtliche Grundlagen dafür gibt, zugelassene Fahrzeuge mit grüner Umweltplakette von bestimmten Gebieten auszuschließen. Die Deutsche Umwelthilfe ihrerseits fordert in ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ein noch strengeres Fahrverbot auch für die modernen Euro-6-Dieselmotoren.

© SZ vom 06.05.2017 / hm, jok, stma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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