Studie der Bertelsmann-Stiftung:Deutsche werden immer islamfeindlicher

Muslime in Deutschland

Deutsche werden immer islamfeindlicher, dabei haben die meisten überhaupt keinen Kontakt zu Muslimen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Eine Bertelsmann-Studie registriert in Deutschland eine wachsende Ablehnung von Muslimen und des Islams. Besonders ausgeprägt ist die Islamfeindlichkeit in Sachsen, wo die Pegida-Bewegung entstanden ist.
  • 90 Prozent der nichtmuslimischen Ostdeutschen haben in ihrer Freizeit keinen Kontakt zu Muslimen.
  • Junge nichtmuslimische Deutsche haben ein positiveres Islambild.
  • Der überwiegende Teil der deutschen Muslime orientiert sich an Grundwerten der Bundesrepublik wie Pluralität und Demokratie.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es kommt nicht oft vor, dass vor langer Zeit in Auftrag gegebene Studien bei ihrem Erscheinen auf einmal tagesaktuell wirken. An diesem Donnerstag wird der "Religionsmonitor" zum Islam veröffentlicht. In normaleren Zeiten wäre dies eine Studie unter vielen. Doch in Dresden demonstrieren seit Wochen Montag für Montag die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes".

Und ganz Deutschland fragt sich, wo die Mehrheit der Bürger steht: Bei Pegida? Oder bei den Veranstaltern der vielen Gegendemonstrationen? Der Religionsmonitor zum Islam, eine umfangreiche Studie der Bertelsmann-Stiftung, hilft jetzt bei der Suche nach der Antwort. Das Ergebnis ist, um es vorwegzunehmen, nicht sonderlich erfreulich.

"Obwohl Muslime mittlerweile in Deutschland heimisch geworden sind, lehnt die deutsche Mehrheitsbevölkerung Muslime und den Islam zunehmend ab", schreiben die Forscher - und belegen das mit einer Vielzahl an Daten. In ihrer Studie versuchen die Experten einen interessanten Gegenschnitt. Sie haben einerseits die nichtmuslimischen Deutschen nach ihrem Verhältnis zum Islam befragt. Gleichzeitig haben sie aber auch die Einstellungen der muslimischen Minderheit erhoben.

Spitzenreiter Sachsen

Wegen Pegida lohnt zunächst ein Blick auf die Einstellung der Nichtmuslime, also auf die überwältigende Mehrheit der Deutschen. 61 Prozent von ihnen sind der Auffassung, der Islam passe "nicht in die westliche Welt". 40 Prozent sagen, sie fühlten sich durch die Muslime "wie Fremde im eigenen Land". Und 57 Prozent sind der Meinung, der Islam sei "bedrohlich".

Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede. In Ostdeutschland liegt der Anteil derer, die den Islam als Gefahr sehen, sogar bei 66 Prozent. Spitzenreiter ist Sachsen mit 78 Prozent - dort entstand Pegida. Hätten die Forscher die Zahlen nach dem Terroranschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo erhoben, wären sie vermutlich noch höher ausgefallen.

Die Forscher kommen zu einem erstaunlichen Ergebnis. "Weder die politische Orientierung, noch das Bildungsniveau üben einen nennenswerten Einfluss auf das Islambild aus", schreiben sie in ihrer Studie.

Jeder zweite Akademiker empfindet Islam als Bedrohung

Es zeige sich in der Erhebung zwar, "dass sich Deutsche, die sich dem politischen Mitte-links-Milieu zuordnen, ein etwas positiveres Islambild haben" - der Unterschied sei jedoch gering. Auch "der üblicherweise bei Fremdenfeindlichkeit dämpfende Einfluss der Bildung" falle im Bereich der Islamfeindlichkeit deutlich geringer aus.

Selbst bei den Hochschulabsolventen sage jeder Zweite, der Islam sei bedrohlich. Dies weist nach Ansicht der Forscher darauf hin, "dass es sich bei der Islamfeindlichkeit um einen 'salonfähigen' gesellschaftlichen Trend handelt". Sie finde sich "in der Mitte der Gesellschaft" und sei "keineswegs eine gesellschaftliche Randerscheinung".

Die Forscher bieten dafür auch eine Erklärung an. Es sei "davon auszugehen, dass diejenigen, die den Islam trotz prinzipieller Offenheit für religiöse Vielfalt ablehnen, dem Islam eine mangelnde Toleranz unterstellen und so die Ausgrenzung des Islams rechtfertigen".

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