Stromkonzerne und die Brennelementesteuer:Und seid ihr nicht willig, dann schließen wir halt

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In der Diskussion um die Brennelementesteuer fahren die Stromkonzerne neue Geschütze auf: Offenbar haben sie damit gedroht, ihre Atomkraftwerke sofort abzuschalten, falls die Steuer kommt.

Aus Protest gegen die geplante Brennelementesteuer sollen die vier großen deutschen Stromkonzerne der Bundesregierung gedroht haben, sofort aus der Atomenergie auszusteigen. Das berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel an diesem Samstag vorab, ohne Quellen zu nennen.

Das von dem Stromkonzern RWE betriebene Atomkraftwerk (AKW) Biblis in Südhessen. (Foto: dpa)

Wenn die Steuer komme und Umweltminister Norbert Röttgen strikte Auflagen verordne, lohne sich der Weiterbetrieb zahlreicher Anlagen nicht mehr, zitierte das Blatt Vertreter der Konzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW aus den Gesprächen mit der Regierung. In diesem Fall sähen sich die Energiekonzerne gezwungen, die Meiler vorzeitig abzuschalten. Bei Bedarf würden sie dann Atomstrom im Ausland zukaufen.

Die Bundesregierung hält die Drohung dem Bericht zufolge für "Säbelrasseln". Zurzeit verhandeln Vertreter der Konzerne mit Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer aus dem Finanzministerium darüber, ob sie im Gegenzug für eine verlängerte Laufzeit der Atomkraftwerke statt der Brennelementesteuer von 2,3 Milliarden Euro jährlich auch vertraglich vereinbarte Zahlungen leisten können. Die Unternehmen sollen der Bundesregierung außerdem für zwölf zusätzliche Jahre Laufzeit bis zu 30 Milliarden Euro angeboten haben.

Der Vorstoß der vier Kernkraftwerksbetreiber zur vertraglichen Verlängerung der Atom-Laufzeiten stößt beim Bundesumweltministerium auf Vorbehalte. Das Umweltministerium sehe den Vorschlag skeptisch, berichtet die Frankfurter Rundschau. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) finde den Plan dagegen attraktiv, weil er ihm Einnahmen sichere. Auch für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe die Idee einen gewissen Charme, weil sie "Rechtssicherheit" böte. Die Opposition zeigt sich über den Vorstoß der Energieversorger empört.

Ein Sprecher des Umweltministeriums, das nach eigenen Angaben nicht an den Gesprächen beteiligt ist, wies in dem Bericht darauf hin, dass die schwarz-gelbe Koalition vereinbart habe, eine Brennelementesteuer zu erheben sowie einen Teil der Zusatzgewinne aus einer möglichen Laufzeitverlängerung abzuschöpfen und damit erneuerbare Energien zu fördern. "Dieses Ziel sehen wir mit dem Vorschlag nicht beantwortet."

"Energiepolitische Irrfahrt"

Die Konzerne drohen auch mit Klagen gegen eine Atomsteuer. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte in der der Frankfurter Rundschau mit Blick auf eine vertragliche Regelung: "Es droht eine energiepolitische Irrfahrt und eine undemokratische Festlegung zukünftiger Mehrheiten."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Schäuble vor, er sei "bereit, darüber zu verhandeln, ob er käuflich ist". Die Co-Fraktionsvorsitzende Renate Künast kritisierte in den Ruhr Nachrichten: "Hier geht es um ein schmutziges Geschäft: Milliarden gegen Laufzeiten, Geld gegen den Wiedereinstieg in eine gefährliche Technologie." Sie kündigte an: "Wir werden uns das nicht gefallen lassen. Die Koalition wird einen heißen Herbst erleben."

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt plädierte im Hamburger Abendblatt dafür, Kernkraftwerke so lange am Netz zu lassen, wie sie sicher und wirtschaftlich sind. "Es ist volkswirtschaftlich und umweltpolitisch nicht zu verantworten, sichere und wirtschaftliche Kernkraftwerke aus ideologischen Gründen abzuschalten", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Die Koalition will entgegen dem unter Rot-Grün mit der Wirtschaft vereinbarten Atomausstieg Kernkraftwerke länger laufen lassen, um wie viele Jahre ist jedoch umstritten. Während Wirtschaftsexperten von Union und FDP die Atommeiler etwa 15 Jahre länger am Netz lassen wollen, tritt der Umweltminister für kürzere Fristen ein.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung halten Innen- und Justizministerium nur eine moderate Verlängerung um höchstens zehn Jahre für möglich, wenn die Regierung wie angestrebt den Bundesrat umgehen wolle. Sie stützen damit die Haltung des Umweltministers Röttgen.

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