Streit um Homo-Ehe:Denkfehler der Konservativen

Lesezeit: 4 min

Einem Antrag der SPD-geführten Bundesländer zur vollen steuerlichen Gleichstellung der Homo-Ehe will die Union im Bundesrat nicht zustimmen. (Foto: dpa)

Die TV-Debatte bei Günther Jauch zur Homo-Ehe zeigt: Konservative Unionsvertreter wie Katherina Reiche klammern sich in der Debatte an abstrakte Floskeln wie den "Schutz von Ehe und Familie". Doch entsteht mit der Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft gar kein Konkurrenz-Konzept zur Ehe.

Ein Kommentar von Tobias Dorfer

Da saß Katherina Reiche nun in der ARD-Talkrunde von Günther Jauch und igelte sich in der Vergangenheit ein. Um sie herum hockte die Realität und war nicht einmal mehr empört über die Aussagen der CDU-Frau zur Gleichstellung der Homo-Ehe in Adoptions- und Steuerfragen.

Weder die anwesenden Regenbogenfamilien noch der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf, dessen lesbische Tochter zusammen mit ihrer Partnerin und einem befreundeten schwulen Paar ein Kind aufzieht, nahmen Reiche richtig in die Mangel.

Nein, die Repräsentanten der Realität schauten belustigt auf die Staatssekretärin aus dem Umweltministerium, der einst im Schattenkabinett von Edmund Stoiber eine gewisse Familienkompetenz zugeschrieben wurde. Nicht ernst genommen zu werden ist die Höchststrafe in einer Talkshow.

Zugegeben, weder die Vater-Vater-Kind-Kind-Familie noch das Modell der Tochter von Henning Scherf ist in Gegenwart oder Zukunft die vorherrschende Lebensform der deutschen Bevölkerung. Die wird auch künftig mehrheitlich in bewährter Vater-Mutter-Kind-Konstellation glücklich. Aber die Familienentwürfe der Anwesenden sind einige von vielen Realitäten in der Bundesrepublik, die es anzuerkennen - und zu schützen - gilt.

Warum so emotional?

Es gibt Menschen, die sich schwer mit Homosexuellen und der Homo-Ehe tun. Das ist zunächst einmal nicht verwerflich, solange diese persönliche Position sich nicht in Diskriminierung niederschlägt. Und sicher würde es zu weit gehen, Katherina Reiche ein persönliches Problem mit Homosexuellen zu unterstellen. Dennoch musste man sich bei der Unterhaltung der Staatssekretärin im Bundesumweltministerium mit dem ehemaligen Bremer Bürgermeister fragen, wer hier 39 Jahre alt ist und wer 74.

Seit Jahren werden die Argumente für oder gegen eine vollständige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der herkömmlichen Ehe in Talkshows, Leitartikeln und an Stammtischen ausgetauscht. Meistens geht es dabei sehr emotional zu, obwohl die Mehrheit der Deutschen das Problem offenbar gar nicht als Problem anerkennt: Laut ARD-Deutschlandtrend sind 70 Prozent der Befragten (und 60 Prozent der Unionsanhänger) dafür, zumindest die Steuervorteile der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu gewähren.

Es geht um Gleichstellung, nicht um Geld

Interessanterweise geht es vielen Lebenspartnern gar nicht um den einen oder anderen Euro mehr auf dem Konto. Sie wollen Gleichbehandlung, kein Geld. Das Ehegattensplitting, so argumentieren viele, solle durch ein Familiensplitting ersetzt werden, welches das Aufziehen von Kindern fördert. Egal, ob diese in homo- oder in heterosexuellen Beziehungen aufwachsen. Wie zu hören ist, sympathisiert auch die Kanzlerin mit dieser Lösung.

Es ist ein pragmatischer Gedanke, der die Institution Familie - in einer weiterdefinierten Version - achtet und schützen will. Die Fraktion der Gestrigen in der Union will davon jedoch nichts wissen. In der CSU beschwört Parteichef Horst Seehofer eine klare Trennung von Lebenspartnerschaft und herkömmlicher Ehe. Und die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach (übrigens Sprecherin für Menschenrechte ihrer Fraktion) greift gar die Verfassungsrichter nach ihrer Entscheidung zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare auf Twitter an:

Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die vorgebrachten Argumente als sehr abstrakt. Häufig wird Gott bemüht, der die Menschen als Mann und Frau geschaffen und sich "dabei etwas gedacht" habe. Andere bemühen das Grundgesetz, wie Katherina Reiche bei Günther Jauch: Seit "unsere Väter und Mütter das Grundgesetz geschrieben haben", stünden "Ehe und Familie" unter einem besonderen Schutz. Nun frage sie sich, wie wir diesen besonderen Schutz künftig aufrechterhalten sollen, wenn Schwule und Lesben Kinder adoptieren dürfen und steuerlich gleichgestellt werden.

Nun haben weder Katherina Reiche noch Erika Steinbach oder sonst ein Gegner der Gleichstellung bislang plausibel erklärt, wieso die Aufwertung einer Institution zur Abwertung einer anderen führen muss. Sie spielen die beiden Lebensentwürfe gegeneinander aus und zeichnen das irrwitzige Bild eines ruinösen Wettbewerbs zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft, der so nicht existiert (und nie existiert hat).

Befürchten sie, dass eine heterosexuelle Frau künftig lieber eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingeht, nur weil lesbische Paare auch vom Ehegattensplitting profitieren? Wird die ganze Nation plötzlich homosexuell und nimmt Abstand vom Kinderkriegen, weil Diskriminierung abgebaut wird? Nein, Lebenspartnerschaft und herkömmliche Ehe können sehr wohl in friedlicher Koexistenz leben.

Wer die Ehe - wie Artikel 6 des Grundgesetzes tatsächlich fordert - schützen will, darf nicht andere Lebensformen herabsetzen. Der muss im Gegenteil dazu Anreize schaffen, dass Menschen - egal ob homo- oder heterosexuell - füreinander Verantwortung übernehmen und sich für Kinder entscheiden. Dazu gehören eine vernünftige Familienpolitik, die Förderung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine wirkungsvolle Bekämpfung der Kinderarmut und - ja: auch die Organisation von finanzieller Unterstützung. Dies jedoch hat unabhängig davon zu sein, ob die Kinder in einer schwulen Beziehung aufwachsen, in einer lesbischen, ob sie in einer Patchworkfamilie leben, bei einer alleinerziehenden Mutter oder doch in der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie.

In der Union gibt es viele, die das verstanden haben, das zeigt der Antrag einer Gruppe CDU-Abgeordneter zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft. Und doch wirft sich die Partei an die sogenannten konservativen "Stammwähler" heran. Der CDU-Parteitag hat den Antrag mit den Stimmen der Bewahrer abgelehnt, auch das Parteipräsidium zementiert mit seiner aktuellen Entscheidung den Status quo. Katherina Reiche ist mit ihren Positionen ganz offensichtlich keine Exotin in ihrer Partei.

Das Mantra: "Wir können nichts dafür"

Damit jagt die Union einer Minderheit hinterher, die auch wegen einem Ja zur Gleichstellung sicher nicht bei der Bundestagswahl im Herbst zu Hause bleiben wird. Sie umgarnt diese Minderheit dennoch. Schließlich glaubt sie, dieser Wählergruppe in den vergangenen Monaten bereits zu viel zugemutet zu haben.

"Wir können nichts dafür", rufen die Unionsvertreter stets, um die Anpassung der Parteilinie an die Realität zu begründen. Die Energiewende sei Folge einer unvorhersehbaren Katastrophe (Fukushima). Die Wehrpflicht habe sich beim besten Willen nicht aufrechterhalten lassen. So ist jede Änderung der christdemokratischen DNA höherer Gewalt geschuldet.

So wird es auch bei der Homo-Ehe laufen, die von der Union seit Jahren ohne Erfolg bekämpft wird ( bis hin zur im Jahr 2002 gescheiterten Verfassungsklage der unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen). Die Gleichstellung wird sich nur schwer verhindern lassen. Und dann wird das Verfassungsgericht schuld sein.

Und während sich die Bewahrer in der CDU dann ein neues Thema suchen müssen, werden Familie und Ehe in Deutschland weiter wie eh und je geschützt. Es fragt nur keiner mehr, ob sie in einer hetero- oder homosexuellen Beziehung gelebt wird.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: