Steuersenkungen:Der Widerstand wächst

Lesezeit: 3 min

Die schwarz-gelben Steuersenkungspläne sorgen weiter für Unmut - auch in Reihen der CDU. Mehrere Ministerpräsidenten kündigen bereits Widerstand an. Wird das Prestigeprojekt im Bundesrat gekippt?

Für Union und FDP ist es das zentrale Wahlversprechen: Mehr Netto vom Brutto. Das heißt in erster Linie: Steuern runter. Doch die Pläne, die Schwarz-Gelb in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten haben, sorgen zunehmend für Unmut bei Ländern und Kommunen.

Will keine Belastungen für Thüringen akzeptieren: Thürigens designierte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. (Foto: Foto: ddp)

Die designierte Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) kündigte deutlich Widerstand gegen die Pläne der schwarz-gelben Koalition in der Steuer- und Gesundheitspolitik an, sollten sie den Landeshaushalt belasten.

Sollten sich die Steuerpläne negativ auf den Landeshaushalt auswirken, "werden wir damit nicht einverstanden sein können", sagte Lieberknecht der Welt. Im Koalitionsvertrag mit der SPD in Thüringen sei verabredet worden, dass die Interessen Thüringens vorgingen. Auch in der Gesundheitspolitik will die CDU-Landesvorsitzende nicht alle geplanten Veränderungen mitmachen.

Beust skeptisch, Müller zweifelnd

Der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) äußerte sich skeptisch zu den finanziellen Auswirkungen des schwarz-gelben Koalitionsvertrags. Er halte nichts von Vereinbarungen zulasten Dritter und Hamburg müsse genau prüfen, wo es im Bundesrat zustimmen könne, sagte von Beust vor einer zweitägigen Haushaltsklausur der Senats am Dienstag in der Hansestadt.

Es gebe Diskussionsbedarf; Hamburg stehe vor einen riesigen finanziellen Konsolidierungsprogramm. Durch die Wirtschaftskrise fehlten bis 2014 rund sechs Milliarden Euro Steuereinnahmen. Zudem seien zusätzliche ungeplante Sozialkosten von rund 700 Millionen Euro zu erwarten.

Im Video: Die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP haben das schwarz-gelbe Regierungsprogramm unterschrieben.

Weitere Videos finden Sie hier

Konkrete Beschlüsse seien von der Klausurtagung noch nicht zu erwarten, erklärte der Bürgermeister. "Wir müssen genau anschauen, was die Koalition beschlossen hat", sagte er. "Das werden für Hamburg große Summen sein."

Hamburg wolle sich auch mit anderen Ländern beraten. Bevor der Senat endgültig über Einsparungen beschließe, wolle er zudem die nächste Steuerschätzung im November abwarten.

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) äußert Zweifel, ob sein Land die von der neuen Regierungskoalition aus Union und FDP geplanten Steuersenkungen im Bundesrat billigen kann. "Wir haben Diskussionsbedarf", sagte er. "Darüber, wie ein finanzschwaches Land wie das Saarland das hinbekommt, muss einfach geredet werden."

Zwar fügte Müller hinzu: "Wenn wir die Lasten tragen können, tragen wir sie." Die beabsichtigten Mehrausgaben für die Bildung und die ab 2011 greifende Schuldenbremse des Grundgesetzes müssten allerdings mit den Steuersenkungen in Einklang gebracht werden. Ob das gelinge, sei nicht sicher.

Der Finanzminister des Saarlands, Peter Jacoby (CDU), sagte der SZ: "Sollte die Umsetzung der Koalitionsbeschlüsse zu gravierenden Einnahmeausfällen auf Seite der Länder führen, stellt sich die Frage nach Nachverhandlungen in Sachen Schuldenbremse und Konsolidierungshilfe."

Für das schwarz-grün regierte Hamburg erklärte Antje Möller, Vizevorsitzende der GAL-Bürgerschaftsfraktion, dass sich Hamburg bei diversen Vorhaben der Bundesregierung im Bundesrat enthalten werde, falls diese den Bewegungsspielraum des Stadtstaates weiter einschränke.

Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) schließt einen Gang vors Bundesverfassungsgericht nicht aus: "Notfalls müssen wir möglichst gemeinsam mit anderen Ländern mit einer Klage den Anspruch der Länder auf eine angemessene Finanzausstattung durchsetzen", sagte Böhrnsen.

Der Gang nach Karlsruhe sei "Ultima Ratio, sollte das Merkel-Kabinett nicht zur Besinnung kommen und auch die Mehrheit der Ministerpräsidenten wider aller Vernunft den Steuersenkungen zustimmen".

"Hier wird knallhart umverteilt"

Carsten Kühl (SPD), Finanzminister in Rheinland-Pfalz, lehnt die Berliner Pläne ebenfalls ab. "Was Schwarz-Gelb vorhat, macht den Ländern die Haushalte auf Jahre hinaus kaputt", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Dem Bundesland fehlten durch die schon beschlossenen Steuersenkungen, etwa bei den Krankenversicherungsbeiträgen, pro Jahr künftig mehr als 500 Millionen Euro. "Die angekündigten neuen Maßnahmen kosten Land und Kommunen grob geschätzt weitere 700 Millionen Euro, vielleicht auch mehr. Hier wird knallhart umverteilt - auf Kosten der sozial Schwachen und der Länder", sagte Kühl.

Karoline Linnert (Grüne), Finanzsenatorin in Bremen, nannte die geplante Steuersenkung einen "haushaltspolitischen Blindflug". Sie gefährde die bis 2020 angestrebte Konsolidierung des Landes. Zu diesem Zweck erhält die Hansestadt von 2011 an jährlich 300 Millionen Euro, je zur Hälfte vom Bund und den anderen Bundesländern. Die Pläne der neuen Bundesregierung, so Linnert, fräßen diese Effekte zum Teil wieder auf.

Auch die Kommunen warnten vor den Folgen der geplanten Steuersenkungen. "Die Steuerausfälle nehmen uns die Luft zum Atmen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Hamburger Morgenpost. Sollten die Pläne Wirklichkeit werden, müssten Städte und Gemeinden im kommenden Jahr Steuerausfälle von 3,6 Milliarden Euro verkraften.

"Das trifft uns hart angesichts der ohnehin katastrophalen Kommunal-Finanzen", sagte Landsberg. Städte und Gemeinden könnten ihre Aufgaben so nicht mehr erfüllen.

Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler fallen die Steuergeschenke von Schwarz-Gelb weniger üppig aus, als nach den Koalitionsverhandlungen verkündet. Zwar würden die Steuerzahler im kommenden Jahr um insgesamt 21 Milliarden Euro entlastet, berichtete die Welt.

Mit 14 Milliarden Euro gehe allerdings der Großteil davon noch auf die Beschlüsse der Vorgängerregierung zurück. Lediglich Familien mit einem Jahreseinkommen von über 60.000 Euro würden laut Steuerzahlerbund von einer zusätzlichen Entlastung profitieren.

"Eine große Steuerreform sieht anders aus", sagt Olaf Schulemann vom Bund der Steuerzahler der Zeitung. Nun komme es darauf an, dass die mittleren Einkommen ab 2011 richtig entlastet würden.

Hessen hält sich zurück

Die hessische schwarz-gelbe Landesregierung wollte die Steuerpläne zunächst nicht bewerten. Auf Anfrage von sueddeutsche.de sagte ein Sprecher des Wiesbadener Finanzministeriums, mal wolle erst einmal "konkrete Zahlen" und die "Legislativvorschläge abwarten".

Ein Ministeriums-Sprecher wies auf "weiche Formulierungen" im Koalitionsvertrag hin. "Nun gucken wir erstmal, was da da genau beschlossen wurde und was das zu bedeuten hat." Eine Bewertung schon zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen sei "verfrüht, spekulativ und unseriös."

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/woja/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: