Wie schön es doch ist, als Bundespräsident zu reisen. Da kann man sich zum Beispiel in Jerusalem gleich nach der Ankunft abends mit dem wirklich netten Amtskollegen Reuven Rivlin auf ein Bierchen treffen, ist aber ansonsten überall von der eigenen Gravitas umgeben und muss sich ganz bestimmt nicht in die Niederungen des Streits mit so einem Premierminister begeben, der gern auch mal Freunden klare Kante zeigt. Nein, Außenminister will Frank-Walter Steinmeier bestimmt nicht mehr sein - schon gar nicht, wenn es auf Besuch nach Israel geht.
Dort war sein Außenamts-Nachfolger Sigmar Gabriel bekanntlich gerade in einen Sturm geraten, weil er mit Vertretern der Menschenrechtsorganisationen Breaking the Silence und B'Tselem sprechen wollte - und zur Strafe von Premierminister Benjamin Netanjahu ausgeladen worden war. Das hat eine krawallige Beziehungskrise ausgelöst, und Steinmeier hat nun gut dran getan, diesen Streit nicht weiter zu eskalieren. Gut war das jedoch nur, weil er seinen sehr präsidialen Verzicht auf ein Treffen mit diesen Regierungskritikern mit einer sehr klaren politischen Haltung verknüpft hat.
Im Zwist mit Israel hat er den richtigen Ton getroffen
Geschickt hat er einen Auftritt vor Studenten der Hebräischen Universität in Jerusalem dazu genutzt, die von der rechten Regierung bedrängten Organisationen gegen den ständigen Vorwurf des Verrats in Schutz zu nehmen. Elegant hat er sich dabei in seiner Rede auf den im September 2016 verstorbenen israelischen Präsidenten Schimon Peres berufen, der die Demokratie als "Recht auf Verschiedenheit" definiert hatte. Und demonstrativ hat er Netanjahu noch vor dem gemeinsamen Abendessen die Botschaft zukommen lassen, dass sich deutsche Politiker keine "Sprechverbote" aufzwingen lassen wollen - und zwar nicht aus Sturheit, sondern aus Freundschaft zu Israel.
Wie diese besondere Freundschaft angesichts zunehmender Konflikte gepflegt werden kann, ist ja bislang das am offensivsten vermiedene Thema im deutsch- israelischen Verhältnis gewesen. Das war bequem, aber fahrlässig, weil es zu einer schleichenden Entfremdung geführt hat. Und in dieser Entfremdung liegt die weitaus größere Gefahr für die Beziehungen als in einer ehrlichen Auseinandersetzung über den Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten, die Zwei-Staaten-Lösung oder den Umgang der israelischen Regierung mit Kritikern im Innern.
Nach dem offenen Eklat beim Besuch Gabriels vor zwei Wochen lassen sich die Meinungsverschiedenheiten nun nicht mehr ignorieren. Steinmeier hat auch das richtig erkannt und für eine neue Qualität in den deutsch-israelischen Beziehungen geworben: für einen "Streit unter Freunden". Er hat damit den richtigen Ton getroffen auf heiklem Terrain, aber als Präsident muss er sich auch weniger mit der Umsetzung in der Praxis herumplagen. Welchen Widerhall seine Worte erzeugen, wird sich wohl erst zeigen, wenn wieder mal ein einfacher Minister, zum Beispiel der fürs Äußere, nach Jerusalem reist.