Der offene, dennoch respektvolle Streit ist etwas, "was wir uns gegenseitig zumuten müssen". Mit diesem Satz hat jetzt Bundespräsident Steinmeier auf jene sogenannten Aktivisten reagiert, die in Göttingen und Hamburg Reden des Konservativen Thomas de Maiziére und des rechtskonservativen Bernd Lucke verhinderten. "Andere zum Schweigen bringen zu wollen", sei nicht akzeptabel, sagte Steinmeier noch. Man kann hinzufügen: Wer andere zum Schweigen bringen will, ist ganz bestimmt kein Antifaschist, auch wenn er sich dafür hält.
Das überwiegend von Rechten benutzte Narrativ, man dürfe doch sowieso in diesem Land vieles nicht mehr sagen, ist ein Verwandter jenes Aktivismus, der darauf abzielt, anderen das öffentliche Wort zu verbieten. Die Zivilgesellschaft definiert sich nicht dadurch, dass sie debattenunterdrückende Protestformen als mutigen Ungehorsam akzeptiert. Man kann, zumal in der Ära der Digitalkommunikation, Worten mit Worten und Argumenten mit Argumenten begegnen. Wer aber Worte nicht zulässt, indem er Türen blockiert, einen Redner niederschreit oder im schwarzen Block, sei es dem linken oder dem rechten, Angst verbreitet, der greift die Zivilgesellschaft an.
Auf der Freiheit, Sinn oder Unsinn zu vertreten, ist die Gesellschaft aufgebaut. Diese Freiheit haben auch Alexander Gauland, Sahra Wagenknecht, Mathias Döpfner oder Karl Lauterbach. Man muss ihnen nicht zustimmen, aber zum Bürgermut gehört, auch deren Meinungsfreiheit zu verteidigen.