Staatsoberhaupt:Interview: Ein König muss nicht mehr bis zum Tod arbeiten

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Hamburg (dpa) - Seit Jahrzehnten ist Rolf Seelmann-Eggebert der Adelsexperte der ARD. Der Monarchie-Kenner saß schon am Mikrofon, als Prinz Charles 1981 Diana heiratete. Dass Spaniens König Juan Carlos jetzt abdankt, hat aber auch den 77-Jährigen überrascht.

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Hamburg (dpa) - Seit Jahrzehnten ist Rolf Seelmann-Eggebert der Adelsexperte der ARD. Der Monarchie-Kenner saß schon am Mikrofon, als Prinz Charles 1981 Diana heiratete. Dass Spaniens König Juan Carlos jetzt abdankt, hat aber auch den 77-Jährigen überrascht.

Wie Kronprinz Felipe auf seine neuen Aufgaben vorbereitet ist und wobei ihm seine Frau Letizia besonders helfen muss, erzählte Seelmann-Eggebert im Interview der Nachrichtenagentur dpa in Hamburg.

Frage: Hat auch Sie die Nachricht von der Abdankung des spanischen Königs überrascht?

Antwort: „Ja, das war überraschend, weil die Spanier diese Tradition der Abdankung eigentlich nicht kennen. Das ist eine Sache, die innerhalb Europas beschränkt ist auf die Benelux-Länder - also Belgien, Niederlande und Luxemburg. Die anderen haben es in ihrer Tradition jedenfalls nicht gehabt. Insofern war es überraschend.“

Frage: Was sagt dieser Schritt aus über das spanische Königshaus?

Antwort: „Das ist der Wunsch nach Verjüngung auf der einen Seite, ein Entgegenkommen den Wünschen der Spanier gegenüber. Denn natürlich ist häufiger die Frage gestellt worden, warum ein König bleibt, der deutlich krankheitsbedingt angeschlagen ist.“

Frage: Und dass es zum jetzigen Zeitpunkt passiert?

Antwort: „Es muss irgendeinen Zeitpunkt geben. Und es hat zwei Abdankungen in relativ kurzer Folge gegeben, in Belgien und in den Niederlanden. Der spanische König hat sich offenbar noch ein bisschen Zeit gelassen, aber wahrscheinlich auch keinen großen Gesundungsprozess mehr vorhergesehen. Und man muss auch sagen: Der Kronprinz kommt ins gemachte Nest. Das heißt, da ist auf der einen Seite das Königshaus, auf der anderen Seite seine Familie, Thronfolgerinnen hat er auch. Insofern ist der Zeitpunkt im Augenblick ganz günstig gewesen.“

Frage: Was denken Sie, wie ist Felipe auf seine Aufgaben als König vorbereitet?

Antwort: Er ist vorbereitet wie alle Kronprinzen in Europa vorbereitet sind - wirklich sehr gut vorbereitet im Hinblick auf Schule, Universitätsabschluss, Militärdienstzeit, Kenntnis des eigenen Landes, aber vor allem auch Kenntnis der Welt. Und er hat sich eben auch durchgesetzt gegenüber dem Vater zum Beispiel bei der Wahl seiner Frau. Was ich als ein gewisses Problem sehe: Die Spanier sind daran gewöhnt, einen sehr leutseligen König zu haben, der auf sie zutritt, sie auch in den Arm nimmt. Das ist Felipe nicht. Felipe ist ein eher Zurückhaltender - und deswegen besonders darauf angewiesen, die Fröhlichkeit und Offenheit seiner Frau zu nutzen.

Frage: Was wird von Felipe als König zu erwarten sein? Wird er das als sehr konservativ geltende spanische Königshaus modernisieren?

Antwort: „Eine Monarchie, die nicht mit der Zeit geht, hat keine Chancen zu überleben. Das ist allen Monarchien klar. Schon mit der Wahl seiner Frau hat Felipe gezeigt - mit einem gewissen Dickkopf gegenüber seiner Familie: Die will ich haben. Ich bin ganz sicher, dass die jüngere Generation modernisiert. Eine Modernisierung kann man aber auch schon in der Form sehen, wie der König abdankt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Schule macht und andere klassische Monarchien, wo die Abdankung nicht vorgesehen ist, verändert.“

Frage: Was bedeutet die neue Rolle für Letizia? Wird der Druck auf sie größer - und wird sie ihm standhalten können?

Antwort: „Letizia hat insofern ihre Pflicht und Schuldigkeit getan, als dass die Familie ja da ist mit den beiden Kindern. Das ist immer eine der zentralen Fragen bei Thronfolgen. Im Übrigen ist sie schon in der Vergangenheit sozial und auch an vielen Stellen engagiert gewesen. Warum sollte sie es nicht bewältigen, wenn sie einen anderen Titel und etwas mehr Verantwortung trägt als vorher?“

Frage: Welches Signal sehen Sie darin, dass nun auch in Spanien die jüngere Generation das Sagen hat?

Antwort: „Es ist nicht mehr notwendigerweise so, dass man wartet und sagt: Der König ist tot, es lebe der König. Man sieht zum Beispiel in England, wo ein Thronfolger da ist, der mittlerweile über 65 ist, und die Mutter regiert weiter, als ob sie selber gerade dieses Alter erreicht hätte - das ist die eigentliche europäische Tradition. Vielleicht gehört zur Modernisierung der Monarchie in den nächsten Jahrzehnten eben auch, dass ein König nicht mehr in den Sielen sterben muss. (Redewendung für: bis zum Tode arbeiten; bei der Arbeit sterben)“

ZUR PERSON: Rolf Seelmann-Eggebert ging 1978 für knapp vier Jahre als TV-Korrespondent und Studioleiter nach London - im Reich der Queen wurden die Weichen für seine späteren Erfolge als Adelsexperte gestellt. In dem Magazin „Rund um Big Ben“ nahm er die Briten unter die Lupe. Später machte ihn seine elfteilige Reihe „Königshäuser“ bei vielen Deutschen bekannt. Der 77-Jährige betreibt mit seinem Sohn Florian in Hamburg seine eigene TV-Produktionsfirma Seelmannfilm.

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