Sri Lanka:Warten auf Treibstoff

Lesezeit: 3 min

Der Präsident Sri Lankas verhängt den Notstand, um die öffentlichen Proteste einzudämmen. (Foto: Ishara S. Kodikara/AFP)

In Sri Lanka haben sich die Proteste am Wochenende ausgeweitet. Präsident Gotabaya Rajapaksa hat den Notstand ausgerufen und soziale Medien abschalten lassen. Aber wird das die Krise lösen?

Von David Pfeifer und Evelyn Vogel, Bangkok

Die Polizei schoss in Sri Lanka am Sonntag mit Tränengas auf Hunderte protestierende Studenten, während Soldaten Kontrollpunkte in der Hauptstadt Colombo besetzten, um eine Ausgangssperre durchzusetzen. Präsident Gotabaya Rajapaksa hatte den Notstand verhängt, zunächst nur bis Montag. Damit sollte die öffentliche Empörung eingedämmt werden, ausgelöst durch eine massive Wirtschaftskrise des Inselstaates. Der Zugang zu Twitter, Facebook, Whatsapp, Youtube und Instagram wurde landesweit gesperrt. Netblocks, eine globale Überwachungsgruppe, bestätigte den Blackout, der am Sonntag nach Mitternacht in Kraft trat.

Lakshman Kiriella, Abgeordneter der Oppositionspartei "Samagi Jana Balawegaya" (SJB) in Kandy, der zweitgrößten Stadt Sri Lankas, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Polizei habe Tränengas eingesetzt, um Studenten, die in der Nähe der Universität protestierten, zu vertreiben. "Die Studenten haben die Ausgangssperre missachtet", erklärte Kiriella.

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In Colombo versammelten sich Politiker der SJB und ihre Anhänger am Sonntag in der Nähe des Unabhängigkeitsplatzes - trotz Ausgangssperre. Sie skandierten in Anspielung auf den Spitznamen des Präsidenten "Go home, Gota, go home", während sich Anhänger eines anderen Oppositionsbündnisses, dem Jathika Jana Balawegaya, in einem Ort am Rande der Hauptstadt versammelten, um gegen die steigende Inflation, Lebensmittelknappheit und Stromausfälle zu protestieren. Die Polizei löste die Demonstrationen auf.

Westliche und asiatische Diplomaten beobachten die Situation

Westliche und asiatische Diplomaten, die sich in Sri Lanka aufhalten, erklärten, sie beobachten die Situation und erwarten von der Regierung, dass sie den Bürgern friedliche Demonstrationen erlaubt. Forderungen nach Rajapaksas Rücktritt werden lauter, er regiert das Land gemeinsam mit drei Brüdern, die wichtige Ministerien besetzen.

In einigen Teiles des Landes haben die Menschen Probleme, zur Arbeit zu kommen und sich mit den Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken, Märkte und Geschäfte sind geschlossen, Busse und Bahnen fahren nicht. Seit Wochen gibt es kaum Treibstoff zu kaufen, und wenn doch, dann zu horrenden Preisen. Die Bürger Sri Lankas kämpfen außerdem mit einer steigenden Inflation, nachdem das Land im vergangenen Monat seine Währung im Vorfeld der Gespräche über ein Kreditprogramm mit dem Internationalen Währungsfonds stark abgewertet hat.

Die womöglich schlimmste Wirtschaftskrise des Landes hat ihren Ursprung in Fehlentscheidungen, auch der vergangenen Regierungen. So wurde ein riesiges Haushalts- und ein Leistungsbilanzdefizit angehäuft. Dann brach die Pandemie aus, kurz nachdem die aktuelle Regierung unter Rajapaksa die Steuern gesenkt hatte, um den Privatkonsum anzukurbeln. Dazu kam eine verunglückte Umstellung auf ökologische Landwirtschaft. Lebensmittel wurden teurer, das Loch in der Staatskasse riss weiter auf.

Reisegruppen sitzen im Land fest

Sri Lanka gilt vielen Besuchern als Traumziel, sanfter als Indien, mit schönen Stränden und Ayurveda-Hotels. Man braucht die Touristen, deswegen waren erst vor Kurzem die Einreisebedingungen gelockert worden. Tourismusminister Prasanna Ranatunga warnte nun, dass die Proteste die wirtschaftlichen Aussichten beeinträchtigen würden. "Das Hauptproblem, mit dem Sri Lanka konfrontiert ist, ist die Devisenknappheit, und Proteste dieser Art werden dem Tourismus schaden und wirtschaftliche Folgen haben", sagte Ranatunga.

Nun ist von Reisegruppen zu hören, die im Land festsitzen. In den Hotels außerhalb von Colombo, die über einen Generator verfügen, bekommt man von den Unruhen wenig mit. Doch die Straßen sind dunkel und ungewöhnlich ruhig, die Angestellten brauchen eine Sondererlaubnis, um sich außerhalb der Anlagen bewegen zu dürfen. Die Gäste wurden am Samstag dazu aufgerufen, während der Ausgangssperren die Hotels nicht zu verlassen.

Am Sonntagnachmittag hob die Regierung die Sperre für soziale Medien wieder auf. Der Minister für Jugend und Sport, Namal Rajapaksa, ein Neffe des Präsidenten, erklärte, er werde "niemals die Sperrung sozialer Medien dulden". Er forderte die Behörden auf, "fortschrittlicher zu denken und diese Entscheidung zu überdenken" - das könnte ein Zeichen für den Dissens innerhalb der Regierungsfamilie sein.

Das Energieministerium teilte unterdessen mit, dass 6000 Tonnen Diesel von der Indian Oil Corporation und weitere 12 000 Tonnen Diesel von der indischen Regierung im Rahmen einer neu vereinbarten Kreditlinie auf dem Weg sind. Die Lieferungen sollen am Mittwoch und Donnerstag eintreffen. Die Zeiten, in denen der Strom ausfällt, würden dann von bis zu 13 Stunden auf unter zwei am Tag sinken.

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