Sportpolitik:Muss Russland nach Bob-WM weitere Events abgeben?

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Lausanne (dpa) - Mit der Absage der Weltmeisterschaften 2017 in Russland hat der Bob- und Skeleton-Weltverband international ein Zeichen gesetzt. Andere große Verbände haben sich bisher zurückhaltender gezeigt und den Russen trotz der umfangreichen Dopingvorwürfe noch keine Events entzogen.

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Lausanne (dpa) - Mit der Absage der Weltmeisterschaften 2017 in Russland hat der Bob- und Skeleton-Weltverband international ein Zeichen gesetzt. Andere große Verbände haben sich bisher zurückhaltender gezeigt und den Russen trotz der umfangreichen Dopingvorwürfe noch keine Events entzogen.

Wie hat der Bob-Weltverband die Absage der Titelkämpfe begründet?

Das elfzeilige Statement, das der Weltverband IBSF herausgab, enthielt eine diplomatisch ausformulierte Begründung. Die Offiziellen vermieden es trotz der klaren Indizienlage, den Russen staatlich verordnetes Doping zu unterstellen. Stattdessen habe das „gegenwärtige Klima“ zur Absage der Weltmeisterschaften, die im Februar eigentlich in der Olympia-Stadt Sotschi hätten stattfinden sollen, geführt. Dieser Umstand mache es unmöglich, dass die „großartigen“ Vorarbeiten wertgeschätzt würden. Das Wort „Doping“ wurde nicht ein einziges Mal verwendet.

Warum wählte der Verband diese eher schwammige Begründung?

Mutmaßlich nicht zuletzt aus Selbstschutz, um mögliche Vertragsstrafen zu verhindern. Denn rein juristisch ist den Russen Doping im großen Stil bisher nicht nachgewiesen. Letztlich sind die in den McLaren-Berichten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA aufgeführten Indizien zunächst nicht mehr als Inhalte einer Anklage, die nun vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und den einzelnen Fachverbänden wie dem IBSF geprüft werden müssen. Werden - wie zu erwarten ist - Sanktionen verhängt, kann in letzter Instanz der Internationale Sportgerichtshof CAS angerufen werden.

Wie reagiert das IOC?

Mit lobenden Worten. Das IOC begrüße die Maßnahme, „die voll und ganz mit den Empfehlungen des Olympic Summit und der IOC-Exekutive übereinstimmt“. Auch der Deutsche Olympische Sportbund bewertete die Maßnahme positiv - und ging noch weiter. „Wir gehen davon aus, dass auch andere betroffene Weltverbände ihre in Russland geplanten Veranstaltungen überdenken“, sagte DOSB-Vorstandschef Michael Vesper.

Wie positionieren sich andere Fachverbände?

Bisher nicht so eindeutig, wie es die IBSF vorgemacht hat. Der Biathlon-Weltverband IBU hatte im September die WM 2021 sogar noch ans russische Tjumen vergeben - obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits eine IOC-Empfehlung an die Wintersportverbände herausgegangen war, vorerst keine Großereignisse mehr dem Riesenreich zuzusprechen. Eine Rücknahme sei aber prinzipiell „problemlos möglich“, sagte Verbandschef Anders Besseberg.

Der Internationale Skiverband FIS, verantwortlich unter anderem für Ski alpin, Nordische Kombination, Skisprung, Langlauf, Ski-Freestyle und Snowboard, wollte im Oktober nicht ausschließen, dass „alle internationalen Wettbewerbe in Russland“ in der neuen Saison wegen des mutmaßlichen Staatsdopings gestrichen würden. Bisher ist das allerdings nicht geschehen.

Welche Wintersportevents sind im neuen Jahr in Russland geplant?

Vom 9. bis 12. März steht ein Biathlon-Weltcup im späteren WM-Ort Tjumen auf dem Wettkampfkalender, vom 16. bis 19. März treffen sich an selber Stelle die Langläufer zu ihrem Weltcup-Finale. Auch das Weltcup-Finale der Eisschnellläufer soll in Russland steigen - vom 10. bis 12. März in Tscheljabinsk. Die Ski-Freestyler und Snowboarder sollen sogar mehrmals an verschiedenen russischen Orten gastieren.

Sind Absagen dieser Veranstaltungen realistisch?

Allenfalls wohl in jenen Sportarten, die von besonders vielen Dopingfällen betroffen sind. Welche das sind, bleibt vorerst offen, weil WADA-Chefermittler Richard McLaren in seinem am Freitag veröffentlichten Report keine Zahlen bestimmter Sportarten nannte. IBU und FIS kündigten zunächst lediglich interne Beratungen an. Jan Dijkema, Chef der Internationalen Eislaufunion ISU, sieht keine Möglichkeit einer Absage des Weltcup-Finales in Tscheljabinsk: „Die juristischen und finanziellen Konsequenzen wären sehr kompliziert.“

Wird Russland als Ausrichterland des Confederations Cups 2017 und der Fußball-WM 2018 auch infrage gestellt?

Nein, zumindest nicht von Verbandsseite. „Wir sollten dies eher als Chance sehen und nicht versuchen, negativ zu sein“, sagte FIFA-Chef Gianni Infantino im September mit Blick auf Forderungen, den Russen sportliche Großereignisse wieder zu entziehen. Infantino rückt ebenso wie die Europäische Fußball-Union UEFA auch nicht vom langjährigen russischen Sportminister Witali Mutko ab, der im ersten WADA-Report im Juli namentlich genannt worden war. Der heutige russische Vize-Ministerpräsident soll unter anderem die Vertuschung einer Dopingprobe von mindestens einem Fußballer veranlasst haben. Mutko sitzt als UEFA-Topfunktinär auch im FIFA-Council und ist zudem Organisationschef für die WM sowie den Confed Cup.

Wie reagieren die Russen auf die Absage der Bob- und Skeleton-WM?

Mit Unverständnis. „In unseren Augen ist das eine politisch motivierte Entscheidung“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russlands Bob- und Skeleton-Verband äußerte, dass der Verband „in einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens“ gezwungen sei, die Entscheidung hinzunehmen. Die russische Parlamentschefin Valentina Matwijenko sprach sich für eine Entschädigungsklage aus.

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