Sportpolitik:Dopingskandal bringt russischen Spitzensport in Verruf

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Moskau (dpa) - So hat sich Russlands mächtiger Sportfunktionär Valentin Balachnitschew das Ende seiner Karriere sicher nicht vorgestellt. Wegen eines Dopingskandals unter Olympiasiegern und Weltmeistern des Landes muss der Chef des Leichtathletikverbands nach 20 Jahren seinen Hut nehmen.

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Moskau (dpa) - So hat sich Russlands mächtiger Sportfunktionär Valentin Balachnitschew das Ende seiner Karriere sicher nicht vorgestellt. Wegen eines Dopingskandals unter Olympiasiegern und Weltmeistern des Landes muss der Chef des Leichtathletikverbands nach 20 Jahren seinen Hut nehmen.

Dass der Verband den Rücktritt bei seiner kommenden Sitzung in Moskau annimmt, gilt als wahrscheinlich. Ende Januar musste bereits Nationaltrainer Valentin Maslakow gehen, nachdem zahlreiche russische Sportler wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen wurden. Ein Jahr nach dem Sieg des Gastgebers in der Nationenwertung der Olympischen Winterspiele in Sotschi sprechen Moskauer Sportzeitungen von einer „Katastrophe“. Und sie können fast täglich über weitere Fälle berichten: Am 12. Februar wurde bekannt, dass der frühere Doppel-Weltmeister im Langstreckenschwimmen, Wladimir Djatschin, mit einem zweijährigen Bann belegt wurde.

Langjährige Sperren und Aberkennung von Titeln - die Strafen für Dopingsünder sind hart, doch manchen in Russland sind sie nicht hart genug. „Man muss ihnen ihre Belohnungen wie Wohnungen und Autos wegnehmen“, sagt etwa die Eishockeylegende Wjatscheslaw Fetissow dem Fachblatt „Sport Express“. Auch Sportminister Witali Mutko will, dass überführte Betrüger Prämien zurückzahlen. Er kündigte die Bildung einer Regierungskommission an, die sich in Zusammenarbeit mit ausländischen Experten auf den Kampf gegen Doping konzentrieren soll.

Der jüngste Skandal löste die bisher größte Medaillenumverteilung in der Geschichte des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF aus. Fünf russische Elitegeher sowie eine Hindernis-Olympiasiegerin von 2012 und eine Siebenkampf-Dritte von London: Sie alle verloren Titel und Edelmetall - weitere Medaillenwechsel nicht ausgeschlossen. Denn nach den Vorwürfen des systematischen Dopings im Spitzensport überließen die russischen Behörden internationalen Ermittlern 3000 Proben zur Laboranalyse. Eine Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) holte die Fläschchen mit eingefrorenem Blut vor kurzem in Moskau ab.

Ein Deutscher soll nun mithelfen, Licht ins Dunkel zu bringen: Der Ermittler Günter Younger vom Landeskriminalamt München ist Mitglied einer dreiköpfigen WADA-Kommission, die den Vorwürfen nachgehen soll. Betroffen ist nicht nur die Leichtathletik: In den vergangenen Wochen waren auch mehrere russische Biathleten überführt worden. „Böses Blut“, titelte die renommierte Zeitung „Kommersant“.

Beschleunigt wurden die Untersuchungen durch die Anfang Dezember gesendete ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping“. Darin wird Russland staatlich unterstütztes Doping vorgeworfen, das angeblich gezielt vertuscht wird. Mutko räumt zwar ein, dass der Film „gewisse Hinweise“ enthalte. Zugleich spricht er von „Einzelfällen“ und warnt davor, das ganze Land unter Generalverdacht zu stellen. „Die russische Auswahl ist eine der größten der Welt, sie ist auf vielen Siegertreppchen vertreten. Daher wird sie öfter kontrolliert“, meint der Minister. Mutko nennt die Vorwürfe „unfair“. Es sei eine „Tatsache, dass Doping nicht nur eine russische Angelegenheit“ sei.

Die Leichtathletin Julia Stepanowa dagegen sieht Russland in der Pflicht. Sie gilt als „Doping-Kronzeugin“, seit sie ihrem Heimatland im ARD-Film Korruption und groß angelegtes Doping vorgeworfen hat. Die Mittelstreckenläuferin war wegen Einnahme verbotener Mittel selbst zwei Jahre gesperrt und kehrte vor wenigen Tagen auf die Bahn zurück - in Berlin, wohin sie mit ihrer Familie geflohen ist.

Russische Leichtathletikfunktionäre wie Wladimir Tipajew halten die Doping-Ermittlungen für „Rufmord“. Für ihn ist klar: Die Schuldigen sitzen im Westen und knüpfen mit einer „Kampagne“ an die Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise an. Seit vergangener Saison seien 4500 russische Leichtathleten getestet worden, sagt Tipajew dem Staatsfernsehen. In derselben Zeit seien aber aus allen anderen europäischen Staaten zusammen nur 2600 Sportler überprüft worden.

„Die Vorwürfe sind ein Versuch, die Verdienste unseres Sports zu verleumden“, meint Tipajew. Die hochdekorierte Stabhochspringerin Swetlana Feofanowa schimpft sogar: „Das ist Schmutz. Die Deutschen sollten sich mal lieber um ihre eigenen Athleten kümmern.“

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