Spenden für Duisburgs OB Sauerland:Korruptionsaffäre greift auf weitere NRW-Städte über

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Es könnte einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte Nordrhein-Westfalens werden: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Duisburgs umstrittenen CDU-Oberbürgermeister Sauerland wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung bei mehreren Bauprojekten. Die Affäre droht sich nun auf andere Städte des Landes auszuweiten - auch zwei SPD-Politiker haben auffällige Spenden erhalten.

Bernd Dörries

Es ist ein seltsamer Parteitag, den die Duisburger CDU da in der Glückaufhalle veranstaltet. Die Christdemokraten haben sich alles wohl auch anders vorgestellt. Am Anfang kommt ein Mann auf die Bühne, der gar kein Parteiamt hat, sondern ein Angestellter der Stadt ist. Ralf Oehmke ist Geschäftsführer der "Innenstadt Duisburg Entwicklungsgesellschaft" und damit verantwortlich für zahlreiche Bauprojekte in der Stadt.

Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland steht unter Korruptionsverdacht: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn, weil bei der Vergabe mehrerer Bauprojekte verdächtige Spendengelder geflossen sein sollen. Auch andere Landespolitiker stehen unter Verdacht. (Foto: dapd)

An diesem Abend geht es aber nicht darum, wie schön sich die Stadt doch entwickelt hat und wie gut die Neubauten am Innenhafen doch gelungen sind. Oehmke versucht, den Delegierten des Parteitages in der Glückaufhalle zu erläutern, warum es wieder Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft gegeben hat in Duisburg, warum gegen den auf dem Podium sitzenden Oberbürgermeister Adolf Sauerland ermittelt wird und welche Bauprojekte im einzelnen unter Korruptionsverdacht stehen. "Duisburg hat aber alles richtig gemacht", schließt Oehmke seinen Vortrag. Die Delegierten klatschen.

Wenig später kommt Oberbürgermeister Adolf Sauerland ans Podium. Es sind keine sehr angenehmen Tage für ihn. Eine Erkältung will nicht weggehen, in der Stadt läuft wegen der Katastrophe auf der Loveparade im vergangenen Jahr gegen ihn ein Abwahlverfahren, und nun kam auch noch die Staatsanwaltschaft in seinem Büro vorbei, um ihm mitzuteilen, dass gegen ihn ermittelt wird, wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung. Sauerlands CDU hatte in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 38 000 Euro von den Essener Projektentwicklern Kölbl Kruse bekommen, Verwendungszweck: "Oberbürgermeisterwahlkampf".

Die Projektentwickler haben einiges gebaut oder gekauft in der Stadt und dabei zwei Geschäfte abgewickelt, die den Ermittlern untersuchenswert vorkamen: Einmal erwarben sie das Grundstück des künftigen Landesarchivs, kurz bevor das Land selber zuschlagen konnte, und verkauften es mit sattem Aufpreis weiter. Ein zweites Mal ging es um das Eurogate-Projekt im Hafen, ein riesiges Bürogebäude. Auch hier bekamen sie den Zuschlag, womöglich schon vor der öffentlichen Ausschreibung. Adolf Sauerland sagte auf dem Parteitag: "Ich bin sicher, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Sie werden sich in Luft auflösen."

Unten im Podium murmelten die Leute von der CDU, es sei halt wie immer im roten Ruhrgebiet, gegen die CDU werde ermittelt, gegen die Sozis nicht. Zu Nutznießern der Spenden von Kölbl Kruse gehörten auch zwei Leute von der SPD, die mittlerweile Oberbürgermeister von Dortmund und Essen sind, von Städten, in denen die fleißigen Projektentwickler ebenfalls am Werke waren. In Dortmund bauten sie in der Nähe des Dortmunder-U, der alten Zentrale der Union-Brauerei, die mittlerweile eine Art Wahrzeichen für die Kreativszene der Stadt ist. Ein Bürogebäude entstand, und zwei Spenden flossen an die SPD, insgesamt 9800 Euro, Verwendungszweck: "Spende Ulrich Sierau".

Der damalige Planungsdezernent ist heute Oberbürgermeister der Stadt. In der Dortmunder SPD soll es damals Streit gegeben haben, ob solche Spenden angenommen werden sollten. Und auch die Justiz ist sich heute nicht einig, wie der Vorgang zu bewerten ist. Warum gegen Sauerland ermittelt wird, nicht aber gegen Sierau. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal sieht noch keinen Anfangsverdacht, ein Ermittlungsrichter aber schon: Die Projektentwickler hätten in der Hoffnung gespendet, "dass die Begünstigten Sauerland und Sierau ihre Zuwendung auch wahrnahmen und mit ihrem Einsatz für die Beschuldigten in Verbindung bringen".

Die Affäre hat das Potential, einer der größten Korruptionsskandale in diesem an Korruptionsskandalen nicht armen Bundesland zu werden. Inzwischen beschäftigen sich Polizei, Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, Bundestagsverwaltung und Landesrechnungshof mit dem Komplex. In Köln durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Büros des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Rolf Bietmann.

Die Ursprünge der Affäre liegen im Jahr 2000. Damals beschloss der Landtag in Düsseldorf, Verwaltung und Bau aller landeseigenen Immobilien in einem zentralen Bau- und Liegenschaftsbetrieb zu bündeln. Der BLB verwaltet mittlerweile 4000 Immobilien im Wert von etwa neun Milliarden Euro, zu denen auch das Duisburger Landesarchiv gehört. Die Bündelung sollte alles effizienter machen, doch der BLB wurde offenbar zu einem großen Selbstbedienungsladen. Gegen 40 Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft. In der kommenden Woche wird der Untersuchungsausschuss des Landtages seine öffentlichen Sitzungen aufnehmen. Die Abgeordneten haben viel aufzuklären - unter anderem eben auch den Spendenfluss an die eigenen Parteien.

© SZ vom 16.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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