SPD und die offene Machtfrage:Die Hütchenspiele der SPD

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Steinmeier, Nahles und Gabriel werden die Partei in die Zukunft führen. Fraglich ist nur, wer welchen Job bekommt. Die derzeit wahrscheinlichste Variante ist dummerweise die politisch am wenigsten überzeugende. Die vier Machtoptionen im SPD-Führungs-Check von sueddeutsche.de.

Thorsten Denkler, Berlin

Es scheint ausgemachte Sache zu sein, dass Frank-Walter Steinmeier, 53, Sigmar Gabriel, 50, und Andrea Nahles, 39, die SPD künftig führen sollen. Auf diese drei wird es ankommen - vor allem, weil sie alle Flügel der SPD abbilden.

Gabriel steht eher den reformorientierten Netzwerkern nahe, Nahles wird dem linken Lager zugeordnet, Steinmeier eher dem im Seeheimer Kreis organisierten konservativen Flügel.

Die Frage ist nur, wie das Machtdreieck aussehen soll, dass das Trio bilden soll. Die derzeit favorisierte Konstellation ist: Gabriel wird Parteichef, Nahles Generalsekretärin, Steinmeier bleibt Fraktionschef. Doch die Hütchenspieler in der SPD haben noch andere Optionen im Handgelenk.

Wir stellen sie vor - im SPD-Führungs-Check von sueddeutsche.de.

Variante eins: Gabriel wird Parteichef, Nahles Generalsekretärin, Steinmeier bleibt Fraktionschef.

Vorteil: Im Grunde nur die Tatsache, dass alle Flügel vertreten sind.

Allerdings bietet sie auch die Chance für Steinmeier, sich im Amt als Fraktionschef der SPD als kämpferischer Oppositionsführer zu profilieren. Er könnte damit seinen Anspruch untermauern, 2013 erneut die Kanzlerkandidatur zu übernehmen. Das wäre nach langer Zeit das erste Mal, dass ein gescheiterter Kanzlerkandidat der SPD eine zweite Chance bekommt. Zuletzt hatte Willy Brandt das geschafft.

Diese Variante wird immer wahrscheinlicher, immer mehr Landesverbände wie Niedersachsen und Berlin unterstützen einen Parteichef Gabriel. Die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl in vier Jahren würde mindestens noch zwei Jahre offen bleiben.

Nachteil: Streit ist programmiert, vor allem zwischen Gabriel und Nahles. Sollte sie Generalsekretärin werden, ist sie quasi Sprachrohr des Parteivorsitzenden. Nur: Für diese Rolle ist Nahles schlicht nicht geschaffen. So hatte sie schon zu Juso-Zeiten maßgeblich dafür gesorgt, dass Oskar Lafontaine den Parteichef Rudolf Scharping auf dem Mannheimer Parteitag 1995 stürzen konnte. Zehn Jahre später war sie Auslöser für den nächsten Rücktritt: Als sie gegen den Willen von Müntefering 2005 darauf drang, Generalsekretärin zu werden, trat dieser umgehend zurück.

Unklar ist auch, wie ausgerechnet Gabriel die Parteiflügel zusammenhalten soll. Er gilt mehr als Polarisierer denn als Moderator. Als Ministerpräsident von Niedersachen hat er einen Führungsstil an den Tag gelegt, der dem seines Vorvorgängers Gerhard Schröder in nichts nachstand. Ein Basta-Stil, der in der Partei eher nicht mehr erwünscht sein dürfte.

Steinmeier wiederum soll als Fraktionschef die Regierung vor sich hertreiben. Wer seinen ersten Kurzauftritt in dieser Funktion am Dienstagnachmittag vor der Presse erlebte, hörte jedoch wieder den Steinmeier, der mit langatmigen Sätzen Säle einschläfern kann. Treiber klingen anders.

Variante zwei: Steinmeier wird Partei- und Fraktionschef und macht Nahles zur Generalsekretärin

Vorteil: Nachdem Steinmeier vor der Fraktion den Verzicht auf das höchste Parteiamt verkündet hat, ist diese Konstellation zwar obsolet. Doch nicht wenige Sozialdemokraten trauern ihr jetzt schon nach.

Diese Genossen sagen: Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand, das hätte die nötige Führungsstärke nach außen demonstriert und wäre als kraftvoller Oppositions-Auftakt gewertet worden. Sie merken auch an: Steinmeier hätte schon im Sommer 2008 den Parteivorsitz übernehmen müssen, als Kurt Beck am Schwielowsee zurücktrat.

Steinmeier gilt mit seiner ausgleichenden Art als jemand, der die Flügel zusammenbringen kann. Nahles wäre in diesem Szenario eine entsprechend starke Generalsekretärin, die die Parteistrukturen gut kennt, den inneren Neuaufbau gestalten und mit Steinmeiers Rückendeckung ihre guten Kontakte zur Linkspartei intensivieren kann. Eine ihrer engsten Mitarbeiterinnen ist die ehemalige PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt.

Zudem schätzen sich beide SPD-Granden. Zugleich wäre klar, dass es sicher keinen Kampf um die nächste Kanzlerkandidatur geben würde. Steinmeier wäre jetzt schon gesetzt.

Nachteil: Steinmeier gilt als Architekt der Agenda 2010 von Altkanzler Gerhard Schröder und damit vielen als suspekt, die eine radikale Abkehr von dieser Politik fordern. Die gehören zwar zu einer kleinen dafür umso lauteren Minderheit in der Partei. Das Signal eines Neuanfangs wäre zumindest auf den ersten Blick nicht mit dieser Entscheidung verbunden.

Variante drei: Steinmeier wird Parteichef, Nahles Generalsekretärin und Gabriel Fraktionschef

Vorteil: Das ist eine Konstellation, die sich in den kommenden Monaten durchaus noch ergeben könnte. Steinmeier kann gut mit Nahles und würde sowohl mit ihr zusammen seine integrative Kraft nutzen, die Partei nach innen neu aufzustellen, als auch pragmatisch die Annäherung an die Linkspartei zu organisieren.

Für eine Neudefinition des Verhältnisses zur Linken gilt er manchen als der beste Gewährsmann. Er könnte für eine Art Von-der-Leyen-Effekt sorgen. Es musste offenbar eine Unionspolitikerin sein, die eine moderne, sozialdemokratische Familienpolitik in Deutschland mehrheitsfähig macht. So könnte der dem konservativen Flügel zugerechnete Steinmeier derjenige sein, der glaubhaft Bündnisse mit der Linken schmiedet und vielleicht sogar Wegbereiter für eine Fusion beider Parteien werden könnte.

Gabriel wäre als Fraktionschef für die Abteilung Attacke zuständig, eine Rolle, die er mühelos ausfüllen kann und in der er sich wohlfühlt. Gabriel ist rhetorisch mindestens so begabt wie der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle oder die Ober-Rhetoriker der Linken, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Das hat Gabriel mehrfach in der Vergangenheit am Rednerpult und zuletzt im Bundestagswahlkampf in zahlreichen Talkshows unter Beweis gestellt.

Nachteil: Gabriel würde seine Rolle als Fraktionschef so gut ausfüllen, dass er mit Recht Ansprüche auf die kommende Kanzlerkandidatur erheben könnte. Das würde der SPD wieder eine Personaldebatte bescheren, die ihr nicht guttäte. Optimisten in der Partei hoffen, dass die personelle und programmatische Neuaufstellung der Partei in einem Jahr abgeschlossen ist - um danach genug Zeit zu haben, Steinmeier in Position für die nächste Bundestagswahl zu bringen.

Variante vier: Steinmeier tritt als Fraktionschef zurück und überlässt es Nahles, Gabriel und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, die SPD aus der Krise zu führen.

Vorteil: Dieses Szenario wäre zumindest personell ein klares Signal für einen Neuanfang. Keiner der drei hat aktiv an der Agenda-Politik Schröders mitgeschraubt, Nahles hat sogar dezidiert dagegen gekämpft. Mit ihnen wären alle Flügel in die Führung eingebunden. In dieser Konstellation wäre klar: Gabriel wird Fraktionschef, Nahles oder Wowereit werden entweder Parteichef oder starker Vize. Es müsste dann nur noch ein neuer Generalsekretär gefunden werden.

Nachteil: Wenn es schiefgeht, schafft es dieses Trio nicht, den Laden zusammenzuhalten. Eine Annäherung an die Linke würde an keinem von ihnen scheitern. Die Frage ist nur, ob sie die Partei dabei mitnehmen können. Es gibt in der SPD starke Gruppen, die erhebliche Bedenken gegen einen Linksrutsch der Partei haben. Ungeklärt ist dann auch die Frage, wer 2013 Angela Merkel herausfordern soll. Ein neuer Machtkampf in der SPD wäre kaum zu verhindern, weil sich möglicherweise alle drei Chancen ausrechnen, zumindest aber Gabriel und Wowereit.

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