Die Partei der Arbeit ist aufgewacht und hat ein Konzept zur Reform des Sozialstaates vorgelegt. Endlich. Das Konzept mag rudimentär sein, aber immerhin geben die Sozialdemokraten jetzt zu erkennen, dass sie ernsthaft daran arbeiten, den Weg in die digitale Arbeitswelt zu gestalten. Die SPD richtet sich - nach Webstuhl, Fließband und Computer - jetzt an der Fabrik 4.0 aus. So klug das ist, so klar gilt allerdings auch: Reüssieren wird sie nur können, wenn sie zugleich die Finanzierung des künftigen Sozialstaates ganz neu denkt.
Gemessen daran, ist es bedauerlich, dass sich im Reformkonzept zur Finanzierung nur ein Hinweis findet; fast verschämt versteckt, als fürchte sich die Partei, die Idee auszusprechen. Der neue Sozialstaat werde es schaffen, "alle angemessen an seiner Finanzierung zu beteiligen", steht da. Es ist eine Ansage, die Sprengkraft entwickeln kann. Nämlich dann, wenn die SPD ernst macht und auch Unternehmen stärker in die Pflicht nimmt.
Niemand wird mehr ernsthaft bestreiten, dass die Rolle von Unternehmen in der digitalen Gesellschaft künftig eine andere sein muss als heute - schon aus dem einfachen Grund, dass die Wertschöpfung zunehmend auf Maschinen übertragen wird.
Die Zahlen machen deutlich, dass es Zeit ist für die Politik einzugreifen
Künstliche Intelligenz wird in 15 Jahren 40 Prozent der heutigen Arbeitsplätze ersetzt haben, prophezeien Google und Microsoft. Die Unternehmensberater von Deloitte gehen davon aus, dass 2020 fast drei Viertel aller Firmen einst menschliche Arbeit von Maschinen ausführen lassen. McKinsey sagt voraus, jeder dritte Deutsche werde bis 2030 einen neuen Beruf lernen müssen. Die Zahlen belegen den Umbruch, der sich vollzieht, allerdings weitgehend im Stillen. Sie machen deutlich, dass es Zeit ist für die Politik einzugreifen.
Deutschland wird an einem Politikwechsel kaum vorbeikommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bislang weitgehend darauf beschränkt, das Land wirtschaftsfreundlich zu verwalten. Soziale Beschlüsse wie der Mindestlohn dienten auch dazu, Regierungsbündnisse schmieden zu können. Weil Steuererhöhungen in den Koalitionsverträgen von vornherein ausgeschlossen waren, verweigerte sich die Regierung praktisch ihrer Aufgabe, über steuerliche Änderungen gesellschaftliche Anforderungen zu erfüllen - etwa Reichtum und Vermögen gleichmäßiger zu verteilen.
Das Versäumnis ist umso größer, weil die vergangenen Steuerreformen dazu beitrugen, die Gräben in Deutschland zu verbreitern. Die letzte große Steuersenkung gab es für Unternehmen und Gutverdiener, als Rot-Grün 2005 den Spitzensteuersatz, der in den Neunzigern noch bei 53 Prozent lag, auf 42 Prozent senkte. Die letzte große Erhöhung, die der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, traf 2007 alle Verbraucher - vor allem aber Geringverdiener.
61 Prozent der Bundesbürger finden es nach einer Erhebung des ZDF-Politbarometers vom vergangenen Freitag gut, dass die SPD diesen Menschen über eine Grundrente ein würdiges Leben im Alter ermöglichen will. Der Streit darüber, wie diese Grundrente finanziert werden soll, zeigt allerdings, dass die Politik in alten Mustern denkt. Sie will reguläre Rentenbeitragszahler oder einfach die Staatskasse anzapfen.