Die Sozialdemokraten haben mit der Arbeit am Programm für die Bundestagswahl im Herbst 2017 begonnen. Zum Auftakt einer Parteikonferenz in Berlin übte SPD-Chef Sigmar Gabriel Selbstkritik - allerdings nur, was seine Partei angeht. Die SPD wirke oft wie eine ermüdete Partei "im Hamsterrad der Sozialreparatur". Sie sei "ein bisschen zu viel Staat und zu wenig soziale Bewegung". Das müsse sie ändern.
Der Parteichef betonte die zentrale Rolle der Gerechtigkeit für die Sozialdemokratie. Konkret forderte Gabriel unter anderem, dass die sogenannte Abgeltungsteuer wieder abgeschafft werden müsse. Die SPD selbst hatte die pauschale Besteuerung von Kapitalerträgen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeführt. Sie führt faktisch dazu, dass auf diese weniger Steuern als auf Einkommen aus Arbeit gezahlt werden muss.
"Wie konnte das eigentlich einer Partei der Sozialdemokratie passieren?", fragte sich Gabriel. Er betonte, sollte seine Partei nach 2017 wieder in der Bundesregierung vertreten sein, müsse sie die "Korrektur dieses Fehlers durchsetzen". In der gegenwärtigen Koalition sei das nicht zu machen. Statt pauschal mit 25 Prozent sollten Kapitaleinkommen dann genau wie Arbeitseinkommen individuell besteuert werden. Die zusätzlichen Einnahmen müssten ins Bildungssystem gesteckt werden, forderte Gabriel.
Kein Wort sagte Gabriel zu einem anderen Thema, das die Öffentlichkeit und seine Partei umtreibt: Spekulationen um seinen angeblich unmittelbar bevorstehenden Rücktritt. Am Wochenende hatte er diese allerdings bereits als "Unfug" bezeichnet.
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Müntefering: Mehr Getöse als Krise
Dafür stellten sich führende Parteimitglieder am Montag vor ihren Vorsitzenden. Er glaube nicht, dass die aktuelle Kritik Gabriel gefährlich werde, sagte Gabriels Vorgänger Franz Müntefering der Bild-Zeitung. Die Rücktrittsgerüchte seien mehr Getöse als Krise. Über Gabriel sagte Müntefering deutlich: "Der steht."
Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betonte, der Parteivorstand stehe geschlossen zu Gabriel. Rücktrittsgerüchte nannte sie "dummes Zeug".
Generalsekretärin Katarina Barley sieht für Spekulationen über einen Rücktritt des Parteivorsitzenden keinen Anlass. "Er ist ein sehr guter Vorsitzender und im Moment besteht überhaupt kein Grund, herumzuspekulieren", sagte sie dem Sender NDR. Bei schlechten Umfragewerten seien öffentliche Spekulationen über Wechsel an der Spitze einer Partei üblich, sagte Barley weiter.
Markwort äußert sich erneut
Quelle des Gerüchts war der Focus-Herausgeber Helmut Markwort. Er mutmaßt nun, er sei missbraucht worden. Womöglich seien die Informationen gezielt über ihn lanciert worden, um einen Machtwechsel in der SPD noch zu verhindern. "Ich kann nicht ausschließen, dass dieser Rücktrittsplan zerstört werden sollte", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
"Meine Quelle ist gut, tief in der SPD verwurzelt", sagte Markwort am Montag. "Es war ihr auch vollkommen bewusst, dass das keine Plauderei unter guten Bekannten ist."
Markwort hatte im Sender BR gesagt, Gabriel wolle zurücktreten, ein Nachfolger stehe bereits fest. Nachfolger als Parteichef solle Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz werden, Europaparlamentspräsident Martin Schulz solle Kanzlerkandidat werden.