SPD:Kein Erlöser in Sicht

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Da war er noch Parteichef - und ahnte wohl nicht, dass sie ihn ablösen würde: Sigmar Gabriel und Andrea Nahles im Jahr 2011. (Foto: Getty Images)

Kurz vor dem Treffen des Koalitionsausschusses beschäftigt die SPD ihr neues Sozialstaatsmodell - und der Parteivorsitz. Andrea Nahles tut gut daran, Sigmar Gabriel von der Macht fernzuhalten.

Kommentar von Mike Szymanski, Berlin

Für Andrea Nahles als SPD-Chefin gilt, was auch für die große Koalition gilt. Erstens: Ihre Arbeit ist deutlich besser als ihr Ruf. Und zweitens: Mit beiden dürften sich die Kritiker in der SPD länger auseinandersetzen, als vielen lieb ist. Mit der Vorlage eines neuen Sozialstaatsmodells, das den Hartz-IV-Reformen den Schrecken nehmen soll, hat Nahles zweierlei erreicht: Das erste Mal seit vielen Jahren besteht eine realistische Chance, dass sich die SPD mit der umstrittenen Agenda-2010-Politik von Gerhard Schröder versöhnt. Genauso ist das Konzept geeignet, die Partei mit Andrea Nahles als Chefin zu versöhnen. Für beides wird es höchste Zeit.

Denn in schwachen Momenten geben sich die Zweifler und Nörgler, die mit Nahles am Vorstandstisch sitzen, der Fantasie hin, alles könnte besser sein, wenn nur ein anderer, eine andere die Partei führen würde. Daran krankt die Partei fast mehr noch als an ungeklärten Positionen. Sie hat den Hang, ihr Führungspersonal mit überzogenen Erwartungen und kaum erfüllbaren Ansprüchen mürbe zu machen. Aber wenn sich in den vergangenen Tagen und Wochen in der Partei etwas gezeigt hat, dann dies: Es ist kein Erlöser, keine Erlöserin in Sicht, um die Sozialdemokraten schnell aus dem Umfragetief zu holen; sie stecken bei rund 15 Prozent fest.

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Gelöst stellt Parteichefin Nahles das Konzept vor, das Hartz IV überwinden und die Partei mit sich selbst versöhnen soll. Die Arbeit in der großen Koalition dürften die Ideen erheblich erschweren.

Von Mike Szymanski

Die ernst zu nehmenden Konkurrenten um den Parteivorsitz haben erkannt, dass sie als Partner in der großen Koalition und mit einer Partei, in der Verzweiflung um sich greift, keinen raschen Erfolg erzielen können. Das gilt etwa für die Landeschefs aus Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, für Stephan Weil und Manuela Schwesig. Beide wissen genau, wie schnell sie dort ankommen würden, wo Nahles gerade steckt - nämlich ganz unten. Das wollen sie sich nicht antun. Schwesig hat sich von Nahles bei der Arbeit an dem Sozialstaatskonzept einbinden lassen. Es ist das Beste, was sie für die Partei tun kann - mitmachen statt opponieren. Und wem es noch nicht aufgefallen sein sollte: Selbst der Wortführer der Groko-Gegner, der umtriebige Kevin Kühnert, gibt seit Wochen Ruhe.

Für andere gilt das nicht. Wer sich vom Gabriel-Fieber anstecken ließ und meinte, mit einem Comeback des Ex-Chefs könnte die Partei womöglich die Wende schaffen, dürfte enttäuscht worden sein: Der 59-Jährige lieferte in den vergangenen Tagen nur weitere Belege dafür, warum es richtig von Nahles ist, ihn von der Macht fernzuhalten. Ihm geht es nicht darum, der Partei auf die Beine zu helfen. Er will Nahles zu Fall bringen, koste es, was es wolle. Mal macht er sie dafür verantwortlich, dass sich die SPD nicht früher schon für eine Grundrente starkgemacht hat. Dann bringt er das vorzeitige Ende der großen Koalition ins Spiel, ausgerechnet dann, wenn das leidige Thema endlich aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Er tritt nicht als Stütze auf, sondern als Saboteur. Daran ändert sein Lob für Nahles in diesen Tagen nichts. Es zeigt nur wieder seine Sprunghaftigkeit.

So viele Demütigungen, und das aus den eigenen Reihen - da müsste auch dem Letzten klar geworden sein, mit wem in der SPD etwas nicht stimmt. Nahles jedenfalls ließ sich nicht beirren. Sie reagierte auf die Angriffe mit einem bemerkenswerten Satz: Jeder habe "sein Recht darauf", sie zu kritisieren. Wer Nahles kennt, weiß, wie sie sich geärgert haben muss. Ihr gelang, wozu Gabriel nicht in der Lage ist: sich zu beherrschen.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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