SPD:Der ewige Solist Gabriel leitet das Kollektiv

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Das in der Bedeutung geschrumpfte Kollektiv SPD wird künftig von einem Einzelkämpfer geführt. Sigmar Gabriel ist offiziell zum neuen Parteichef nominiert worden. Er ist der Zehnte seit Willy Brandt, der sich an der Spitze versucht.

Jetzt ist er am Ziel - der Mann, der noch vor Jahren in seiner Partei ein Sonderling war und als "Siggi Pop" verspottet wurde. Sigmar Gabriel, 50, ist offiziell vom SPD-Präsidium als neuer Bundesvorsitzender nominiert worden. Die Wahl verlief einstimmig - einzig Andrea Ypsilanti enthielt sich der Stimme.

Sigmar Gabriel soll seine Partei aus der Krise führen. (Foto: Foto: dpa)

Die Last ist groß für den Lehrer aus Niedersachsen, dessen Rhetorik und Darstellungswille inzwischen in der gebeutelten SPD als Hoffnungswert gilt. Gabriel beerbt den enttäuschenden Franz Müntefering, der erst vor einem Jahr nach einer Zeit der Absenz in das Amt des SPD-Chefs zurückgekehrt war und nicht mehr kandidert. Auf dem Parteitag Mitte November kommt Gabriel offiziell ins Amt. Er ist dann der zehnte Parteichef nach Willy Brandt, dem Säulenheiligen der SPD.

Gabriel muss eine einst stolze Partei aufrichten, die begreift, dass 146 Jahre Geschichte bei aktuellen Wahlen nicht weiterhelfen. Die SPD verlor bei der Bundestagswahl elf Prozentpunkte. Ihr Ergebnis von 23 Prozent ist so beschämend, dass sogar der Abstand zum bisherigen Rekordtiefstand von 1953 (gut 28 Prozent) ein wenig aus dem Blick gerät. Die "Volkspartei" sucht das Volk - und findet nicht einmal mehr das eigene Parteivolk.

Ursprünglich wäre Gabriel lieber SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag geworden. Das hätte mehr seiner kämpferischen Natur entsprochen. Als Oppositionsführer kann man sich den Scharfzüngler sofort vorstellen - anders als den eher bedächtigen, stets mit politischem Diplomatenpass reisenden Ex-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier.

Der Noch-Außenminister hatte eigentlich orakelt, er werde sich zurückziehen, wenn er bei der Wahl nicht mindestens 25 Prozent schaffe. Doch im Auge des Orkans am Wahlsonntag war die Rettung der eigenen Karriere wichtiger. In eiligen Gesprächen mit Müntefering sicherte er sich den Fraktionsvorsitz. Brav wurde er dann von den Genossen gewählt.

Da Gabriels Wunschjob weg war, konnte er nur hoffen, dass sich der Griff Steinmeiers auf den Parteivorsitz verhindern ließ. Das glückte. In einer intimen Runde am Montagnachmittag nach der Wahl traf sich Gabriel mit der Parteilinken Andrea Nahles, mit Arbeitsminister Olaf Scholz und Klaus Wowereit, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin. Nachdem klar war, dass "Wowi" nicht an die SPD-Spitze rücken wollte und ein solcher Sprung für die 39-jährige Andrea Nahles zu früh käme, war der Weg für Gabriel frei.

Scholz wird nun genauso SPD-Vizechef wie die Genossinnen Manuela Schwesig und Hannelore Kraft sowie Berlins Zugpferd Wowereit. Als Generalsekretärin wird die Parteilinke Nahles, die in den vergangenen Monaten immer mehr ins Zentrum gerückt ist, ihren Einfluss mehren wollen. Mit dem neuen Parteichef pflegt sie ein Nicht-Verhältnis.

Aber das haben ja viele in der SPD getan. Gabriel galt als Karrierist, als bunter Opportunist, mediensüchtig und flatterhaft. Gelernt hat der Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen bei einem anderen niedersächsischen Politiker, bei Gerhard Schröder. Als dann aber Gabriel über die Agenda-2010-Politik des Altkanzlers Schröder meckerte, war Schluss mit lustig. Schröder machte sich über den zur Korpulenz neigenden Kollegen lustig. Und der hieb zurück: "Lieber dick als doof."

Größte Aufgabe des neuen Parteichefs ist das Verhältnis zu der Linken. Die Blaupause hat er bereits geliefert. Im vorigen Herbst schrieb er ein Buch mit dem programmatischen Titel "Links neu denken - Politik für die Mehrheit". Da hat er der Konkurrentin Nahles schon etwas voraus. Die Politikerin aus der Eifel verschob die Vorstellung ihres Bekenntnisbuchs "Frau, gläubig, links" um ein paar Wochen. Es passte wohl nicht mehr ganz in die aktuelle Landschaft.

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