SPD-Chef Gabriel zu Minderheitsregierung:Abkühlung gefällig?

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SPD-Chef Sigmar Gabriel hat es eine rot-grüne Minderheitsregierung angetan - im Bund. Mit diesem irritierenden Vorschag entlarvt er eigentlich nur eines: seine eigene Ohnmacht. Es fehlt an attraktiven Machtoptionen.

Daniel Brössler

Wenn einer Bundeskanzler werden will, es aber noch nicht sagen darf, kann er zumindest viel darüber sprechen, wie man - ganz theoretisch - Bundeskanzler werden könnte.

SPD-Chef Gabriel kann sich das Modell NRW zur Not auch für den Bund vorstellen. (Foto: ddp)

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat nun einen Weg aufgezeigt, an den viele in Deutschland noch gar nicht gedacht haben. Am Ende einer Wahl könne eine Minderheitsregierung stehen, verkündete er, und empfahl das Modell NRW zur Not auch für den Bund.

Gabriels Äußerungen zeigen, dass er nicht gewillt ist, das Sommerloch allein den Mitgliedern der schwarz-gelben Ränke-Regierung zu überlassen. Sie dokumentieren überdies, dass die SPD bislang keinen Plan hat, wie diese Regierung abgelöst werden kann.

Die neue Innigkeit im Umgang mit den Grünen und der Punktsieg gegen die Linken bei der Bundespräsidentenwahl waren Balsam für die sozialdemokratische Seele. Beides nährte die reichlich vage Hoffnung, dass es für eine Regierungsmehrheit von Rot-Grün 2013 noch einmal reichen könnte. Realistische Aussichten aber haben sich nicht eröffnet.

Dieser Mangel an attraktiven Machtoptionen steckt hinter dem Gerede von einer Minderheitsregierung. Der Reihe nach: Die große Koalition? Sie ist für die SPD hoch toxisch. Jede Spekulation über diese Paarung wäre Gift für die sich gerade erholende Sozialdemokratie. Die Ampel mit Grünen und FDP? Das würde einen Wandel bei den Liberalen erfordern, der die Vorstellungskraft der heutigen Akteure sprengt. Und Rot-Rot-Grün? Das Trio hat den bestehenden Graben ja gerade erst vertieft.

Vor allem die Linkspartei stellt Gabriel vor eine strategische Herausforderung, auf die er bisher keine Antwort gefunden hat. Einerseits muss die SPD ihren linken Konkurrenten bekämpfen und versuchen, zumindest einen Teil der verlorenen Wähler zurückzugewinnen. Ein Mittel zu diesem Zweck ist es, die Linke als radikal und DDR-gestrig zu entlarven. Die vorhersehbare Weigerung der Linken, den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck zu wählen, war aus SPD-Sicht insofern ein Erfolg. Andererseits muss Gabriel klar sein, dass die Linke vermutlich nach der nächsten Bundestagswahl über jene Stimmen verfügen wird, die ihm zur Kanzlerschaft fehlen.

Es wäre also im Interesse der SPD, dass sich in der Linken jene durchsetzen, die ihre Partei koalitionsfähig machen wollen - durch Bekenntnisse zu Europa und etwa auch zu bewaffneten Einsätzen der Vereinten Nationen. Je schärfer sich SPD und Grüne abgrenzen, desto schwerer werden es diese Kräfte innerhalb der Linken haben. Die Partei würde absehbar regierungsunfähig.

Gabriel bliebe dann doch nur die Minderheitsregierung, die aber ausgerechnet von regierungsunfähigen Linken abhängig wäre. Das klingt nach keinem überzeugenden Plan für die größte Volkswirtschaft Europas.

Vielleicht sollte Gabriel noch einmal nachdenken. Im Sommer wäre Zeit dazu.

© SZ vom 12.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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