Regierungsbildung in der Slowakei:Zweifelhafte Kandidaten für das Kabinett

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Ein Umweltminister, der Naturschutz untergraben will? Ein Verteidigungsminister, der in Entführung, Betrug und Korruption verwickelt sein soll? Der designierte slowakische Premier Robert Fico will genau das.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Politische Gegner: Präsidentin Zuzana Čaputová und der Wahlsieger und designierte Premier Robert Fico. (Foto: Vaclav Salek/AP)

Die Präsidentin wolle seine Pläne durchkreuzen, sagt Robert Fico. An diesem Mittwoch soll er zum neuen Ministerpräsidenten der Slowakei ernannt werden. Schon am Donnerstag will er in neuer Funktion nach Brüssel reisen. Doch kurz sah es so aus, als könnte sich das alles noch verzögern. Denn Präsidentin Zuzana Čaputová wollte den vorgeschlagenen Umweltminister, einen Leugner des Klimawandels, nicht ernennen.

Čaputová wolle alles in die Länge ziehen, sagt Fico in einem Facebook-Video, um noch schnell Ankäufe von Waffen und anderem Militärgerät in den USA abzuschließen. Fico hatte die Präsidentin wiederholt als "US-Agentin" bezeichnet und sich im Wahlkampf prorussisch geäußert. Nato und USA seien schuld am Krieg in der Ukraine, das Nachbarland werde nur noch humanitäre Hilfe erhalten, keine militärische Unterstützung mehr.

Am 30. September hatten die Slowakinnen und Slowaken ein neues Parlament gewählt. Robert Ficos populistische Partei Smer-SD war mit knapp 23 Prozent stärkste Kraft geworden und möchte nun gemeinsam mit der linkspopulistischen Partei Hlas (Stimme) und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei SNS eine Regierung bilden. Mit Peter Pellegrini, dem Vorsitzenden von Hlas, ist sich Robert Fico soweit einig. Die beiden waren früher in derselben Partei gewesen, ehe sich Pellegrini mit Hlas selbständig machte. Beide, Fico und Pellegrini, waren schon einmal Ministerpräsidenten. Nun wird Pellegrini wohl auf seinen alten Platz als Parlamentsvorsitzender zurückkehren.

"Viele Nominierungen sind eine Schande", sagt eine Beobachterin

Aber da sind eben noch die Rechten. Die SNS ist eine für die Maßstäbe der Slowakei sehr alte Partei, sie besteht seit 1990 und beruft sich auf Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert. Sie vegetiert stets an der Fünf-Prozent-Hürde, war zuletzt nicht im Parlament, schaffte es nun knapp wieder. Weil der Parteivorsitzende Andrej Danko mehrere Parteilose auf seine Listen holte, die sich mit Desinformation und Verschwörungstheorien über Flüchtlinge, Corona, den Krieg in der Ukraine, Klimawandel oder die USA sehr viele Follower in sozialen Netzwerken erobert haben. Über politische Erfahrung verfügen sie nicht.

Da alle anderen Parteien es abgelehnt hatten, mit Fico zusammenzuarbeiten, blieben ihm nur Hlas und SNS. Pellegrinis Hlas wurde mit sieben Ministerien belohnt, SNS erhält drei. Fico selbst will zum vierten Mal Premier werden und verteilt sechs Ministerien an seine Smer-SD, darunter das für Außenpolitik und das für Verteidigung.

"Viele Nominierungen sind einfach eine Schande", sagt Zuzana Homer von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bratislava. Dazu zählt sie nicht nur den von der SNS vorgeschlagenen Umweltminister. Der hatte unter anderem die Erderwärmung als "Megabetrug" bezeichnet. Am Dienstag schlug die Partei einen anderen Kandidaten vor. Dieser nennt das neue Pfandsystem für Plastikflaschen "Diebstahl" und will in streng geschützten Naturgebieten Wälder roden und Sümpfe trocken legen.

Diesen Vorschlag akzeptierte Čaputová nun, am Mittwochnachmittag will sie die neue Regierung ernennen. Als noch viel schlimmer aber empfinden viele, dass Robert Kaliňák Verteidigungsminister werden soll. Kaliňák gehört Ficos Partei an und war unter ihm bereits Innenminister. Er trat gemeinsam mit Fico 2018 zurück, nachdem Zehntausende Menschen wochenlang gegen Fico und seine Regierung demonstriert hatten, weil sie ihnen eine Mitschuld an der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und dessen Freundin gaben.

Die Hoffnungen der Kritiker ruhen auf einem Bündnispartner

Als Innenminister soll Kaliňák 2017 dem vietnamesischen Staat geholfen haben, einen Geschäftsmann aus Berlin über Bratislava und Moskau nach Vietnam zu entführen. Der Entführte verließ den Schengenraum an Bord einer slowakischen Regierungsmaschine gemeinsam mit einer vietnamesischen Delegation. Der Mann hatte in Deutschland Asyl wegen politischer Verfolgung beantragt und sitzt nun in Vietnam im Gefängnis; in Berlin wurden die Entführer zu Haftstrafen verurteilt.

Die Ermittlungen gegen Kaliňák in der Slowakei wurden eingestellt. Im April 2022 wurde er wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung kurzzeitig festgenommen, dieselben Vorwürfe wurden auch gegen Robert Fico erhoben. Auch diese Ermittlungen wurden fallen gelassen. Darüber hinaus war Kaliňák in den vergangenen Jahrzehnten in so viele Korruptions- und Betrugsfälle verwickelt, dass es als besonders heikel angesehen wird, ihm ausgerechnet das finanziell gut ausgestattete Verteidigungsministerium zu überlassen.

Dass Čaputová Kaliňáks Nominierung nicht ablehnte, zeigt, wie vorsichtig die Präsidentin darauf bedacht ist, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihre Befugnisse zu überschreiten.

Zuzana Homer setzt Hoffnungen in den Parteienklub von Peter Pellegrini. Dieser ist mit einem sozialdemokratischen Programm angetreten, wurde stark unterstützt von der Ebert-Stiftung und deutschen Sozialdemokraten. Die Inflation ist in dem Euro-Land deutlich spürbar, Lebensmittel und Drogerieartikel sind teurer als im angrenzenden Österreich. Und das bei deutlich geringeren Löhnen. Nur wenige Betriebe hätten Inflationsausgleiche gezahlt, viele Menschen müssten Reallohnverluste bis zu 30 Prozent hinnehmen.

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Pellegrini und seine Leute könnten aus Homers Sicht ein Garant sein, dass sich letztlich an der proeuropäischen Haltung der Regierung wenig ändern wird, allen prorussischen Aussagen Robert Ficos und der SNS-Leute zum Trotz.

Dennoch sind die Befürchtungen groß, besonders was deren Minister betrifft. So soll eine erklärte Faschistin und Verschwörungserzählerin Kulturministerin werden und damit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Nationalmuseen und Staatstheater verantwortlich sein.

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