Silvio Berlusconi:"Jenseits von gut und böse"

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Italiens Verfassungsgericht hat die Immunität des Premierministers gekippt. Die Presse reagiert abgeklärt. Für die Zustände seien Fehler im politischen System verantwortlich.

Julia Amalia Heyer

Damit hat wohl niemand wirklich gerechnet, schon gar nicht die Italiener: Regierungschef Silvio Berlusconi kann angeklagt werden. Das italienische Verfassungsgericht hat das 2008 verabschiedete Immunitätsgesetz gekippt.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi gibt sich trotz des Urteils gelassen: "Gott sei Dank gibt es mich" (Foto: Foto: Reuters)

Eigens für den Premier sei dieses Gesetz verabschiedet worden, monierte damals die Opposition im Parlament. Um die ihm anhängigen Verfahren auszusetzen. Dass das sogenannte Lex Berlusconi jetzt als nicht verfassungskonform erklärt wurde, erstaunt auch die italienischen Kommentatoren.

Das Urteil des höchsten Gerichts ist das Thema des Tages. Bis dato schien der 73-jährige Ministerpräsident, "Cavaliere" genannt, das bel paese sonnenköniggleich und vor Strafverfolgung geschützt, regieren zu können. Vor der Entscheidung des Gerichts hatten Berlusconis Anwälte damit argumentiert, dass seine Regierung der Wille des Volkes sei - und dieser nicht angefochten werden dürfe.

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Das Urteil des Verfassungsgerichts ist für die Kommentatoren trotzdem kein Anlass, überschwenglich die demokratische Justiz Italiens zu preisen: Stattdessen erwartet die linksliberale Tageszeitung La Repubblica "giorni tristi", traurige Tage. Und fragt, wie es dazu kommen konnte, dass ein Gesetz verabschiedet wurde, bei dem sich im Nachhinein herausstellt, dass es eigentlich einer Verfassungsänderung bedurft hätte, um die Immunität der vier höchsten politischen Amtsträger des Landes festzuschreiben.

Beinah resigniert stellt die Zeitung, die zwischenzeitlich selbst zu Berlusconis Medienimperium gehörte, fest, dass die Äußerung des Staatsoberhaupts, sich von dem Urteil nicht beeindrucken zu lassen, von dessen "ganz eigenem" Demokratieverständnis zeugt. Berlusconi hatte bei einem Prozess im Jahr 2003 erklärt: "Es ist richtig, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, aber ich bin gleicher, weil mich die Mehrheit des Volks gewählt hat."

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Diese Auffassung habe er nun, sechs Jahre später, eindeutig bestätigt. Erst vor kurzem hatte Berlusconi zudem eine Verleumdungsklage gegen La Repubblica eingereicht. Eine Million Euro Schadensersatz fordert der Premier für "unangemessene Fragen" über sein Privatleben von der Zeitung.

In seinem Morgengruss "Buongiorno" veralbert Massimo Gramelli in der Turiner Zeitung La Stampa Berlusconis Linken-Paranoia: Klar seien die Richter alle links, der Präsident und die Presse sowieso - genau wie der Wecker, der um sieben Uhr klingele oder bitterer Kaffee.

Der Leitartikel der einflussreichen Zeitung, die der Fiat-Gruppe gehört, ist ungleich ernster intoniert. Überschrieben mit "Jenseits aller Grenzen" sieht La Stampa den Premier und seine Einstellung zu den rechtsstaatlichen Institutionen des Landes schlicht als "jenseits von gut und böse".

Berlusconi: "Gott sei Dank gibt es mich"

Das größte zu bewältigende Problem, schreibt La Stampa, bleibe allerdings das politische System Italiens als solches. Mit der Politik (und den Politikern), die es hervorbringe, könnten die Probleme des Landes nicht gelöst werden.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Il Foglio, anders als La Repubblica und La Stampa im politischen Spektrum eher rechts der Mitte eingeordnet: Der Fehler sei nicht Berlusconi als Person und Politiker, sondern eben das System.

Während die Opposition das Urteil feierte, kündigten die Verbündeten aus dem Mitte-Rechts-Lager eine Massenkundgebung zur Unterstützung des Ministerpräsidenten an. Berlusconi gibt sich unterdessen trotz des Urteils und seiner möglichen Auswirkungen unbeeindruckt: "Gott sei Dank gibt es mich", sagte er in einem Radio-Interview.

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