Sicherheitspolitik:In Afghanistan bleiben mehr Nato-Truppen als geplant

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Doch kein Abzug aus Afghanistan: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Brüssel. (Foto: AP)
  • In Afghanistan bleiben im Jahr 2016 voraussichtlich 12 000 NATO-Soldaten - und damit mehr als geplant.
  • Beim Treffen in Brüssel beschlossen die NATO-Außenminister, die Unterstützungsmission Resolute Support doch nicht zu reduzieren.
  • Uneins sind sich die Mitglieder über die Rolle des Verteidigungsbündnisses im Kampf gegen die Terrororganisation IS.

Von Daniel Brössler, Brüssel

"Düster." So beschrieb Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Beginn des Treffens der Außenminister der Allianz am Dienstag die Lage. "Terrorangriffe, Gewalt und Instabilität, der Bruch internationaler Regel - das sind ernsthafte Herausforderungen aus vielen verschiedenen Richtungen", sagte der Norweger. Gerade im Süden habe man es mit einer "neuen Qualität der Herausforderung" zu tun. Eine der Herausforderungen, mit der sich die Minister zu Beginn beschäftigen mussten, war allerdings eine alte Bekannte. Sie heißt Afghanistan.

"Die Unterstützung eines stabilen Afghanistan liegt in unserem eigenen Sicherheitsinteresse", sagte Stoltenberg. Schon seit längerer Zeit ist klar, dass die Nato auf die schlechte Sicherheitslage dort reagieren muss. Aufgegeben werden musste der Plan, die Truppen der Ausbildungs- und Unterstützungsmission Resolute Support zum Jahreswechsel in Kabul zusammenzuziehen und ihre Zahl stark zu verringern.

Militärische Unterstützung in Afghanistan für das ganze Jahr 2016

Als "unerledigtes Geschäft" bezeichnete der amerikanische Nato-Botschafter Douglas Lute Afghanistan im Vorfeld. Vom Treffen der Außenminister mit ihrem afghanischen Kollegen Salahuddhin Rabbani sollte nun die Botschaft ausgehen, dass die Führung in Kabul sich das ganze Jahr 2016 hindurch auf unverminderte militärische Unterstützung verlassen kann.

Konkret heißt das, dass weiterhin gut 12 000 Soldaten aus der Nato und den Partnerländern den afghanischen Streitkräften - freilich ohne Kampfauftrag - beistehen. Deutschland, das Verantwortung im Norden des Landes trägt, hat die Vorarbeit bereits geleistet. Bei einem Treffen der 20 unter deutscher Führung in der Region stationierten Nationen vergangene Woche war weitere Ausdauer bekundet worden. Das Kontingent der Bundeswehr soll von 850 auf 980 aufgestockt werden. Hinzu komme die erhebliche finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau, betonte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. "Wenn wir das tun, dann glaube ich, haben wir auch das Recht zu sagen: Wir erwarten im Gegenzug Fortschritte bei den nach wie vor dringend erforderlichen Reformen in Afghanistan", sagte er. Das gelte für die Korruptionsbekämpfung und den "mühsamen" Versöhnungsprozess im Land. Botschaften sind das, die auch der afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani an diesem Mittwoch in Berlin zu hören bekommen dürfte.

Welche Rolle die Nato im Kampf gegen den IS spielen soll, ist umstritten

Wichtig für die Afghanen sind überdies Zusagen für die Finanzierung ihrer Streitkräfte. Mit jährlich vier Milliarden Dollar der internationalen Geber ist sie nur bis Ende 2017 gesichert. Mit dem Außenminister-Treffen sollte nun bei Zeiten auch eine neue Runde des Geldsammelns beginnen.

In den Mittelpunkt des Brüsseler Treffens rückte auch der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Er sehe keine "aktive Rolle" für die Nato im südlichen Krisenbogen, betonte allerdings Bundesaußenminister Steinmeier. "Die Nato spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den IS", sagte wiederum Stoltenberg. Darüber ließe sich diskutieren, denn als Bündnis ist die Nato gerade nicht Teil der von 65 Staaten gebildeten Anti-IS-Koalition. Bei der Nato macht man freilich eine andere Rechnung auf: 54 der Koalitionäre seien entweder Nato-Mitglieder oder Nato-Partner. Sie bildeten das Rückgrat der Koalition, versicherte Stoltenberg.

Stärkung der türkischen Luftabwehr

Nach dem türkischen Abschuss eines russischen Kampfjets an der Grenze zu Syrien sollten beim Außenminister-Treffen auch die Solidaritätsbekundungen an das Nato-Land Türkei noch einmal bekräftigt werden. "Wir werden an weiteren Maßnahmen arbeiten, um die Sicherheit der Türkei zu gewährleisten", sagte Stoltenberg. Gestärkt werden soll die Luftabwehr.

Dies stehe aber in keinem Zusammenhang zu dem Zwischenfall, betonte Stoltenberg. Es sei vielmehr Teil einer "langfristigen Verpflichtung". Die USA hatten zuletzt Abfangjäger auf den türkischen Nato-Stützpunkt Incirlik verlegt, auch Großbritannien hat die Entsendung solcher Jets in die Region angekündigt.

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Der Abschuss der russischen Maschine hat auch Überlegungen befeuert, durch verstärkte Drähte nach Russland Zwischenfälle zu vermeiden. So soll im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über mehr Transparenz etwa bei militärischen Übungen verhandelt werden. Steinmeier sprach sich überdies auch für eine Wiederbelebung des Nato-Russland-Rates aus, der zwar nicht aufgelöst wurde, aber wegen der Ukraine-Krise nicht mehr tagt. "Wir leben in einer risikoreichen Welt. Wenn es die Möglichkeit gibt, durch den Austausch von Informationen Risiken zu vermindern, dann sollten wir diese Möglichkeiten auch nutzen", sagte Steinmeier. Dazu könne auch der Nato-Russland-Rat gehören.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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