Sicherheit:Lasst sie nicht unsere Köpfe besetzen

Lesezeit: 3 min

-

Der IS-Terror sollte nicht die Gedanken beherrschen, auch nicht ihre. Zwei Frauen gedenken in Straßburg der Terroropfer von Paris.

(Foto: AFP)

Der IS-Terror darf das Denken in Europa nicht beherrschen. Das wäre viel schlimmer als ein abgesagtes Fußballspiel oder ein geschlossener Weihnachtsmarkt.

Kommentar von Heribert Prantl

Wie sicher ist das Unsichere? Wie unsicher ist das vermeintlich Sichere? Wie viel Unsicherheit darf, kann, muss die Gesellschaft in Kauf nehmen? Die konkrete Entscheidung darüber trifft nicht "die Gesellschaft"; die Entscheidung wird getroffen von der Polizei und vom zuständigen Innenminister. Er entscheidet darüber, ob das Fußballspiel abgesagt wird; er entscheidet, ob und unter welchen Sicherheitsvorkehrungen der Weihnachtsmarkt stattfinden kann.

Der für die Sicherheit zuständige Minister kann sich dabei auf keine Umfrage stützen, es hilft ihm da kein Wählervotum weiter. Er entscheidet auf der Basis von Hinweisen und Gefahranalysen, meist unter großem öffentlichen Druck. Er entscheidet im Bewusstsein, dass womöglich jede Entscheidung falsch ist - und es bei der Entscheidung wohl nur darum gehen kann, welche weniger falsch ist. Entscheidet er sich für die Absage, gibt er dem Terror nach. Entscheidet er sich gegen die Absage, erlebt er die Hölle, wenn etwas passiert.

Lässt er ein Stadion räumen und wird anschließend nichts Verdächtiges gefunden, zeiht man ihn der Hysterie; das tun dann auch diejenigen, die zuvor diese Hysterie mitgeschürt haben. Und wenn eine Veranstaltung abgesagt ist, wird der Druck auf die nächste umso größer, weil sie dann als Indiz dafür gilt, ob man wieder zur Normalität findet.

Wie viel Gefahr darf, kann, muss man in Kauf nehmen?

Selten lastet Verantwortung so schwer. Selten ist die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit so konkret; und man hat dafür so wenig Zeit. Verantwortung heißt in dieser Situation auch: eine schnelle Antwort geben. Man drängt sich nicht danach, solche Entscheidungen treffen zu müssen. Und wer sich danach drängt, ist nicht der Politiker, den man sich in hoher Verantwortung wünscht.

Wenn es darum geht, die richtigen Politiker zu wählen, dann lautet die wichtigste Frage nicht, wie oft gekalauert wird, ob man von diesem oder jenem ein gebrauchtes Auto kaufen würde; die entscheidende Frage lautet, ob man sich vorstellen mag, dass dieser Politiker es ist, der in einer solchen kritischen Situation entscheidet. An der Frage trennt sich die Spreu vom Weizen; an dieser Frage scheitern die genialsten Selbstdarsteller, weil es hier nicht um Public Relations, sondern um öffentliche Verantwortung geht. Zu ihr gehört es auch, alles zu unterlassen, was Angst schürt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema