Serpil Midyatli:Nordisch by Nature

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Serpil Midyatli soll die nächste SPD-Landeschefin in Schleswig-Holstein werden. (Foto: dpa)

Serpil Midyatli wird voraussichtlich die Nachfolgerin von Ralf Stegner als SPD-Landeschefin in Schleswig Holstein. Sie will die Partei erneuern, tiefes Querdenken liegt ihr aber fern.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Die Kieler SPD-Politikerin Serpil Midyatli besitzt ein Temperament, das mit der Kühle des Nordens ziemlich wenig zu tun hat. Im Landtag von Schleswig-Holstein hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende deshalb schon den einen oder anderen Ordnungsruf kassiert. Ihr Parteigenosse und Mitparlamentarier Kai Dolgner bestätigt: "Sie kann auch explodieren." Trotzdem wird der 43-Jährigen niemand unterstellen, sie habe ohne Überlegung gehandelt, als sie vor einigen Tagen ihre Kandidatur für den Vorsitz der Landespartei bekannt gab und damit den Amtsinhaber, Schleswig-Holsteins SPD-Faktotum Ralf Stegner, unter Druck setzte. Sie wollte Fakten schaffen in einer Personalfrage, welche die Sozialdemokraten im Norden schon lange beschäftigt.

Der Coup ist Serpil Midyatli gelungen. Am Montag erklärte Stegner, dass er, der Kieler Fraktionschef und stellvertretende Bundesvorsitzende, im nächsten März nicht mehr das höchste Parteiamt im Lande anstreben werde. Eigentlich hatte sich Stegner mit einer solchen Ansage bis Ende Oktober Zeit lassen wollen, aber das machte manche im Landesverband ungeduldig, und nun kündigt sich also ein Wechsel an, der ein Signal setzt: Der eingesessene, schnarrende Partei-Lautsprecher macht in Zeiten des Umfragetiefs Platz für eine junge agile Frau, die bis heute eine bekennende Gegnerin der großen Koalition in Berlin ist.

Midyatli ist ein Gesicht des Vielvölker-Deutschlands, von Klischees hält sie nichts

Serpil Midyatli stammt von türkischen Eltern ab und ist muslimischen Glaubens. Aber sie ist derart verwurzelt im Land zwischen den Meeren, dass man in ihrem Fall fast schon nicht mehr von gelungener Integration sprechen kann. Ihr Werdegang liest sich so, als hätte sie Integration nie nötig gehabt. Sie ist in Kiel geboren, zur Schule gegangen, machte hier ihren Realschulabschluss und stieg früh in die Unternehmenswelt ein. Mit 19 leitete sie ein Restaurant, mit 29 gründete sie mit ihrem Mann einen Kultur- und Veranstaltungsservice. Heute ist sie nicht nur SPD-Abgeordnete und Mitglied des Bundesparteivorstandes, sondern auch Mutter zweier Söhne und Vizepräsidentin des Heimatbundes Schleswig-Holstein. Ihre Fachthemen sind neben Flüchtlingspolitik Familie, Gleichstellung und Kita. Midyatli ist ein Gesicht des Vielvölker-Deutschlands, von Klischees hält sie nichts.

"Frauen können mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft halten", sagte sie 2009 als Landtags-Debütantin nach einem Wahlkampf, den sie kurz nach ihrer zweiten Schwangerschaft bestritten hatte. Jetzt nimmt sie sich die nächste Herausforderung vor. "Aktuell läuft ein äußerst erfolgreicher Reformprozess", erklärte sie zu ihrer Kandidatur, "diesen Prozess möchte ich als SPD-Landesvorsitzende weiter vorantreiben." Die Erneuerung der SPD ist ihr Anliegen. Sie liegt damit auf einer Wellenlänge mit der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, die im April bei den Wahlen zur Bundesvorsitzenden gegen Andrea Nahles antrat, um ihrerseits Zeichen zu setzen. Es sagt viel über den Reformwillen der beiden Frauen, dass Simone Lange zu einer möglichen Kampagne für den Landesparteivorsitz zeitig sagte: "Ich werde sicher nicht Gegenkandidatin von Serpil Midyatli."

Midyatli gilt nicht als große Politik-Philosophin, das ganz tiefe Querdenken mag anderen besser liegen. Aber Begleiter beschreiben sie als vertrauensvoll, authentisch, mutig. Selbst die grüne Fraktionschefin Eka von Kalben lobt Midyatli als Vertreterin einer neuen Politiker-Generation, der Themen wichtiger sind als Partei-ideologie. "Sie ist unheimlich an der Sache interessiert", sagt von Kalben.

Und Ralf Stegner, der unter Druck geratene Partei-Grande? Der war immer ein Förderer von Serpil Midyatli. Ein solches Talent nicht zu fördern, gehe ja auch gar nicht, sagen seine Kritiker. Jetzt, da Serpil Midyatli ihn aus dem Amt zwingt, nennt Stegner sie "eine starke Kandidatin". Und für ihr Temperament hatte er auch schon mal eine passende Formulierung: "politischer Vulkan".

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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