Serie "Deutscher Herbst":Helmut Schmidt setzt auf "exotische Vorschläge"

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Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) am 5. September 1977 während einer Fernseherklärung zur Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer. (Foto: Heinrich Sanden/dpa)

Heute vor 40 Jahren: Regierungssprecher Bölling bittet die Presse, die Suche nach dem entführten Schleyer nicht zu gefährden. Der Kanzler hofft auf eine "verrückte Idee" - er will die RAF in die Falle locken.

Von Robert Probst

Tag 4: Donnerstag, 8.September. "Exotische Vorschläge"

Der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Hans Heigert, antwortet im Leitartikel auf den Historiker Golo Mann: "Wir befinden uns weder im Krieg noch im Notstand. Die Herausforderung der politischen Mafia ist gegenwärtig gewiß extrem, aber sie rechtfertigt nicht die Anwendung der Notstandgesetze weder juristisch noch irgendwie moralisch."

Regierungssprecher Klaus Bölling appelliert an die Medien, über den Entführungsfall Schleyer mit "größter Behutsamkeit" zu berichten, um die Fahndung nicht zu gefährden - vor allem aber deswegen, weil die Terroristen Kopien ihrer Schreiben und der Ton- und Videodokumente auch an verschiedene Zeitungen, etwa die Frankfurter Rundschau, und Agenturen schicken.

Die Medien halten sich mit wenigen Ausnahmen an diese freiwillige Selbstzensur. Die Forderungen der RAF vom 6. September werden veröffentlicht.

Zu Beginn der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause gedenken die Abgeordneten des Bundestags der Opfer des Kölner Terroranschlags und des entführten Arbeitgeberpräsidenten. Über das Radio bietet das BKA den Entführern erneut an, einen Mittelsmann vorzuschlagen, weil "sich die Kommunikation über Rundfunk und Fernsehen als unzweckmäßig erwiesen hat".

Am Abend tagt der "Kleine Krisenstab" (Kleine Lage), zumeist bestehend aus Kanzler Schmidt, Innenminister Werner Maihofer (FDP), Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), Justizminister Hans-Jochen Vogel, dem Staatsminister im Kanzleramt, Hans-Jürgen Wischnewski (SPD), BKA-Präsident Horst Herold und Generalbundesanwalt Kurt Rebmann. Auf dem Programm stehen "Exotische Vorschläge" zur Lösung der Krise.

Helmut Schmidt sagte dazu 2007 in der Zeit: "Ich hatte den Eventualgedanken, möglicherweise hat jemand 'ne verrückte Idee, wie man die Terroristen irreführen, wie man sie in eine Falle locken könnte."

Unter den Ideen: Schaffung einer Kronzeugenregelung, "Repressalien gegen nahe Angehörige" der RAF-Mitglieder und sogar die Einführung der Todesstrafe für die Häftlinge, die freigepresst werden sollen. Alle Ideen werden verworfen.

Die Serie erschien in einer ersten Version 2007 - und wurde für die Neuveröffentlichung leicht überarbeitet und erweitert. Die Rechtschreibung in Zitaten entspricht der Schreibweise der damaligen Zeit.

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