Senat:VBB-Chefin Bonde soll Verkehrssenatorin in Berlin werden

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Berlins Regierungschef Wegner räumt eine wichtige Personalie schnell ab: Mit Ute Bonde macht er eine Fachfrau für den ÖPNV zur Verkehrssenatorin.

Von Stefan Kruse, dpa

Berlin (dpa/bb) - Die Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), Ute Bonde, soll neue Berliner Verkehrssenatorin werden. Das teilte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Freitag mit, drei Tage nach dem Rücktritt der bisherigen Senatorin Manja Schreiner (CDU) im Zuge einer Plagiatsaffäre. Bonde sei eine herausragende und äußerst erfahrene Verkehrsexpertin, begründete Wegner seinen Personalvorschlag. Vereidigt werden soll die 57-Jährige demnach bei der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses am 23. Mai.

Schreiner hatte am vergangenen Dienstag nach einem Jahr im Amt um Entlassung aus dem schwarz-roten Senat gebeten. Die 46-jährige Juristin zog damit die Konsequenzen aus dem Entzug ihres Doktortitels. Die Universität Rostock hatte diesen Schritt mit dem Ausmaß nicht ausreichend gekennzeichneter Textübernahmen in Schreiners Dissertation aus dem Jahr 2007 begründet. Das Werk genüge nicht den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit, teilte die Juristische Fakultät mit. Der Doktortitel hätte demnach nicht verliehen werden dürfen.

Bonde gehört der CDU an und ist seit Mai 2023 Geschäftsführerin des VBB, einem der größten Verkehrsverbünde in Europa mit mehr als 30 Mitgliedsunternehmen. Davor arbeitete die Juristin viele Jahre bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), von 2019 bis 2023 war sie dort Prokuristin. Auch in der Verwaltung sammelte sie Erfahrungen: Von 1995 bis 2005 arbeitete Bonde in der Senatsverwaltung für Finanzen, anschließend vier Jahre in der Wirtschaftsverwaltung.

Bonde habe bei der BVG und zuletzt beim VBB ihre große Expertise gezeigt, hieß es in Wegners Erklärung. „Sie hat sich beim Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs einen Namen gemacht und steht für eine Verkehrspolitik, die alle Verkehrsteilnehmer in den Blick nimmt“, so der Regierungschef. „Ute Bonde wird die unideologische und pragmatische Mobilitätspolitik der vergangenen zwölf Monate fortsetzen, die Verkehrswende in Berlin vorantreiben und auch unsere Anstrengungen beim Klima- und Umweltschutz umsetzen.“ CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sprach von einer „hervorragenden Wahl“.

Die Linke-Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz haben eine andere Meinung zu dieser Wahl. „Das Wirken von Ute Bonde beim VBB lässt leider nicht erwarten, dass die notwendige Mobilitätswende in Berlin durch sie vorangebracht wird“, erklärten beide. „In dem Bereich Klimaschutz und Umwelt gilt das umso mehr, da sie dort keine Erfahrungen vorweisen kann. Die Personalie bestätigt erneut, dass für Kai Wegner weder ein effektiver Ausbau des ÖPNV noch konsequente Klimapolitik einen hohen Stellenwert genießen.“

Grünen-Fraktionschef Werner Graf erwartet von Bonde entschiedenes Handeln. „Sie muss jetzt zeigen, dass sie die vielen Baustellen ihrer Vorgängerin anpackt und den Verkehrswendestopp beendet, die Probleme der BVG angeht und die riesigen Einsparungen im Haus mit minimalem Schaden umsetzt“, erklärte er. „Statt Haushaltsmittel in Luftschlösser wie Flugdrohnen und Magnetschwebebahnen zu versenken, muss sie nun endlich in Verkehrssicherheit investieren und für ein Ende der BVG-Krise sorgen.“

Bonde wird als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt - so die offizielle Bezeichnung - eines der größten und bedeutendsten Ressorts im Senat mit zahlreichen heiß umkämpften Themen verantworten. Sie gilt als ausgewiesene Kennerin des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Ihre Nominierung könnte damit auch als Signal zu verstehen sein, dass es Wegner und sein schwarz-roter Senat ernst meinen mit dem Ausbau des ÖPNV und mit mehr Klimaschutz.

Denn Kritiker warfen ihm und der bisherigen Senatorin Schreiner vor, nach den Bemühungen der rot-grün-roten Vorgängerregierung um eine ökologische Verkehrswende wieder stärker Politik für das Auto zu machen. Der Regierungschef spricht hingegen stets - auch in seiner Erklärung vom Freitag - davon, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt zu betrachten, also Fußgänger und Radfahrer ebenso wie Nutzer von Bussen und Bahnen oder Autofahrer.

Schreiner hatte bei ihrem Rücktritt am Dienstag eine schriftliche Erklärung vor Journalisten verlesen und dabei betont: „Ich habe an keiner Stelle meiner Dissertationsarbeit vorsätzlich getäuscht oder betrogen.“ Als Privatperson werde sie deshalb gegen den Entzug des Doktortitels Widerspruch einlegen. Schreiner hatte die Universität Rostock im August 2023 selbst um die Überprüfung ihrer Dissertation gebeten. Zuvor hatte es Berichte über Unregelmäßigkeiten und mögliche Plagiate gegeben.

Schreiners Plagiatsaffäre war nicht der erste einer prominenten Berliner Politikerin. Die jetzige Wirtschaftssenatorin und frühere Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sah sich ebenfalls mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert - auch hier wurde der Doktortitel wegen Täuschung bei der Übernahme fremder Inhalte aberkannt. Infolgedessen trat sie als damalige Bundesfamilienministerin 2021 zurück.

© dpa-infocom, dpa:240503-99-901486/6

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