Regierungswahl in der Schweiz:Fast keine Spielchen

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Da gratuliert auch der Saaldiener, Weibel genannt: Beat Jans (rechts) ist neuer Bundesrat in der Schweiz. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Das Schweizer Parlament wählt den Basler Sozialdemokraten Beat Jans zum neuen Regierungsmitglied und verzichtet auf Experimente. Die berühmte Zauberformel hat noch mal gehalten.

Von Isabel Pfaff, Bern

Die siebenköpfige Schweizer Regierung hat seit diesem Mittwoch ein neues Mitglied: Das Parlament in Bern hat im dritten Wahlgang den Basler Sozialdemokraten Beat Jans in den Bundesrat gewählt. Er folgt auf den langjährigen Innen- und Gesundheitsminister Alain Berset, der nicht noch einmal kandidieren wollte.

Im Schweizer System gilt der Anspruch, dass alle relevanten Kräfte im Bundesrat vertreten sein sollen. Deshalb war es einigermaßen unumstritten, dass auf den Sozialdemokraten Berset auch wieder ein Sozialdemokrat folgen sollte. Mit Beat Jans haben die Abgeordneten zudem einen der beiden Kandidaten gewählt, die offiziell von der SP-Fraktion nominiert worden waren.

Einige Parlamentarier können sich Spielchen nicht verkneifen

Der Wahltag, an dem nicht nur der Berset-Nachfolger bestimmt wurde, sondern sich auch die übrigen Bundesräte im Amt bestätigen lassen mussten, hat damit - für Schweizer Verhältnisse - regelkonform geendet. Bis es so weit war, konnten sich aber einige Parlamentarier Experimente und Spielchen nicht verkneifen. Da wären zum einen die Grünen und ihr angekündigter Versuch, mit einem eigenen Kandidaten endlich einen Regierungssitz zu erstreiten. Sie hatten schon kurz nach den Parlamentswahlen im Oktober erklärt, dass sie den Sitz von Außenminister Ignazio Cassis (FDP) angreifen wollen.

Die Begründung: Wenn es bei der alten Regierungszusammensetzung - genannt "Zauberformel" - bleibe, seien die Wähler der Grünen nicht in der Regierung vertreten, obwohl sie inzwischen zu den relevanten politischen Kräften im Land zählen. Die liberale FDP hingegen sei mit zwei Sitzen überrepräsentiert. Grünen-Kandidat Gerhard Andrey blieb jedoch chancenlos: Lediglich 59 von 246 Parlamentariern stimmten für ihn. Cassis schaffte die Wiederwahl damit sogar im ersten Durchgang. Auch den anderen fünf amtierenden Regierungsmitgliedern gelang die Bestätigung im Amt ohne große Überraschungen.

Was den neu zu besetzenden SP-Sitz betraf, kam während der Wahlgänge doch mehr Spannung auf als erwartet. Denn ein beachtlicher Teil der Abgeordneten schrieb nicht einen der beiden offiziellen Kandidaten Beat Jans oder Jon Pult auf den Wahlzettel, sondern Daniel Jositsch. Der Zürcher SP-Politiker hat schon lange Bundesratsambitionen, doch in seiner Partei hat er dafür zu wenig Unterstützung und wurde entsprechend nicht nominiert. Bei den Parteien des rechts-bürgerlichen Lagers hingegen sähe man den sozialliberalen Jositsch lieber in der Regierung als dezidiert linke Kandidaten wie Jans oder Pult.

Rund 70 von insgesamt 264 Abgeordneten wollten das offenbar deutlich machen und brüskierten damit die SP-Fraktion. Die, das darf man vermuten, dürfte das nicht vergessen und sich womöglich bei der nächsten Wahl eines Bundesrats aus dem rechten Lager rächen. Denn Bundesräte müssen nun mal vom gesamten Parlament gewählt werden. Zuletzt hat man sich derlei Spielchen deshalb eher gespart. Und auch diesmal blieb eine echte Revolution aus. Im dritten Anlauf scharten sich schließlich genügend Parlamentarier hinter Beat Jans und bescherten dem Basler eine absolute Mehrheit.

Politisiert wurde Jans in Haiti und Paraguay

Damit erhält die Schweizer Regierung einen Bundesrat aus dem urbanen Kontext, außerdem erstmals seit fünf Jahrzehnten wieder einen Vertreter aus Basel. Da die Schweizer Verfassung gebietet, dass die Regionen und Sprachgruppen der Schweiz angemessen in der Regierung vertreten sein sollen, spielen solche Faktoren bei Bundesratswahlen durchaus eine Rolle.

Was Beat Jans mit seinen 59 Jahren nicht ändern wird, ist der im europäischen Vergleich hohe Altersdurchschnitt der Regierung. Jüngster im Gremium ist der SVP-Politiker Albert Rösti - mit 56. Das wäre bei Jans' Gegenkandidat Jon Pult, dem 39-jährigen Nationalrat aus Graubünden, anders gewesen.

Ungewöhnlich ist dafür Jans' Herkunft. Im Gegensatz zu den anderen Bundesräten - Unternehmerkinder oder Bauernsöhne und -töchter - entstammt er einem einfachen Arbeitermilieu. Studiert hat der Umweltnaturwissenschaftler erst im zweiten Schritt, vorher machte er eine Ausbildung zum Landwirt. Politisiert, so sagt er selbst, hätten ihn Aufenthalte als Entwicklungshelfer in Haiti und Paraguay Ende der Achtzigerjahre.

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Seine politische Karriere nahm jedoch erst mit den Nullerjahren Fahrt auf. Er etablierte sich zunächst als SP-Politiker in Basel, saß dann zwischen 2010 und 2020 im Bundesparlament. Danach wurde er Regierungspräsident in seiner Heimatstadt und sammelte dort Exekutiverfahrung - wahrscheinlich der Aspekt, der ihm bei dieser Wahl am meisten nützte. In seiner Dankesrede sagte Jans am Mittwoch, dass er sich in erster Linie für das Wohl "unserer Chefin" einsetzen werde - also für die Schweizer Bevölkerung.

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