Schon die Überschrift macht deutlich, dass man es hier in keiner Weise mit chaotischen Castor-Gegnern zu tun hat. "Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie" heißt die Initiative, über die die Schweizer an diesem Sonntag abstimmen. Eingebracht wurde sie von der Grünen Partei, Anlass war die Katastrophe von Fukushima im März 2011. Doch eben: In der Schweiz dauern politische Prozesse etwas länger. Erst müssen Unterschriften gesammelt werden, dann irgendwann folgt die Abstimmung.
Die Haltung vieler Schweizer hat sich inzwischen geändert, statt der Risiken, die Kernkraftwerke bergen, stehen inzwischen die Unwägbarkeiten der erneuerbaren Energien im Fokus. So argumentiert auch der Schweizer Bundesrat, der den Bürgern empfiehlt, den Vorstoß abzulehnen: Wer die Kernkraftwerke "übereilt" abschalten wolle, müsse Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland importieren, das sei weder ökologisch noch sicher. Der inländische Ausbau von Erneuerbaren könne nicht schnell genug für Ersatz sorgen.
Ein "Ja" wäre eine echte Überraschung
Tatsächlich würden die Schweizer Atomkraftwerke bei Annahme der Initiative rasch abgeschaltet: Drei der fünf gingen schon 2017 vom Netz, das letzte, 1984 erbaute Kernkraftwerk würde im Jahr 2029 ausgeschaltet. Von der schweizerischen Netzgesellschaft Swissgrid heißt es, man sei für ein "Ja" gerüstet - besonders wahrscheinlich erscheint dieser Ausgang allerdings nicht. 48 Prozent der Befragten gaben zuletzt an, dass sie für die Initiative stimmen wollen.
Das deutet zwar auf ein knappes Ergebnis hin. Aber da die Zustimmung im Vergleich zu früheren Studien sinkt, wäre der Atomausstieg eine echte Überraschung. Unterstützt wird die Initiative von Sozialdemokraten und Grünliberalen; Konservative, rechte und wirtschaftsliberale Parteien sind dagegen.
Der Berner Bundesrat betont seine grundsätzliche Bereitschaft zur Energiewende: Man brauche aber mehr Zeit, den jetzt noch verfügbaren Atomstrom durch Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse zu ersetzen.