Schwarz-Grün in Hessen:Bitte recht freundlich

Lesezeit: 3 min

Ministerpräsident Volker Bouffier im Hessischen Landtag. (Foto: Getty Images)

Kuschelei statt Kritik? Als Kopf einer schwarz-grünen Regierung verspricht Hessens Ministerpräsident Bouffier: Mit gegenseitigen Verunglimpfungen soll es vorbei sein. Damit will er auch der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen - doch das wäre eigentlich gar nicht nötig.

Von Susanne Höll

Gut möglich, dass Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) an diesem Dienstag in seiner Regierungserklärung ein wenig mehr erzählt über den neuen Stil, der nach seinem Willen mit Schwarz-Grün in Hessen einziehen soll. Er möchte erklärtermaßen Schluss machen mit der jahrzehntelang gepflegten Praxis wechselseitiger politischer und auch persönlicher Verunglimpfung. Damit sucht Bouffier wohl auch der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das wäre eigentlich nicht nötig - SPD, FDP und Linkspartei befinden sich im Wiesbadener Landtag derzeit in keiner sonderlich komfortablen Situation.

Zwar müssen sie - anders als die Opposition im Bund - nicht gegen eine übermächtige Großkoalition antreten. CDU und Grüne stellen zusammen 61 der 110 Abgeordneten; die Opposition kommt auf insgesamt 49 Parlamentarier. Aber sie haben mit anderen Widrigkeiten zu kämpfen. Alle Welt möchte wissen, ob und wie Schwarze und Grüne die nächsten fünf Jahre gemeinsam durchstehen und zu welchen Verrenkungen insbesondere die Öko-Partei in dieser Zeit gezwungen wird.

Das Schicksal der Opposition interessiert dieser Tage dagegen kaum. Und zumindest zwei Fraktionen - die der SPD und der FDP - müssen in der Opposition ihre jeweils eigene politische Vergangenheitsbewältigung betreiben. Denn sie hätten nur zu gern mit einer der beiden Regierungsfraktionen das Land regiert. Die SPD hatte ursprünglich fest auf ein Bündnis mit den Grünen gesetzt, die FDP auf eine Fortführung von Schwarz-Gelb. Das Wahlergebnis ließ beides nicht zu. Und Sozialdemokraten und Liberale müssen von der Oppositionsbank nun ausgerechnet jene rügen, mit denen sie so gern gemeinsame Regierungssache gemacht hätten. Nicht einfach, zumal man spätestens nach der nächsten Wahl 2017 mit dem jeweiligen Lieblingspartner zusammengehen möchte. Kuschelei statt Kritik?

Natürlich nicht, entgegnen die Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP, Thorsten Schäfer-Gümbel und Florian Rentsch. Der Sozialdemokrat, dank seiner 37 Abgeordnete starken Gruppe Oppositionsführer im Landtag, sagt: "Das Wesen der Oppositionsarbeit ist es nicht, die Regierung zu schonen." Im Visier der SPD stehe in erster Linie die größere Regierungspartei. Aber auch die Grünen dürften nicht mit Vorzugsbehandlung rechnen. Von denen möchte Schäfer-Gümbel wissen, ob sie auch als Regierungspartei "weiterhin so bedingungslos für die Aufklärung von CDU-Skandalen" einstünden.

Er zielt ab auf die jüngste Forderung der SPD-Fraktion, die Ungereimtheiten und offenen Fragen um die Rolle des früheren Landesverfassungsschützers Andreas T. bei einem Mordfall der rechtsextremen NSU mit Hilfe einer Expertenkommission aufzuklären. Der Mann war zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat in Kassel am Tatort, will aber nichts von dem Verbrechen bemerkt haben.

Bouffier, damals Landesinnenminister, untersagte der Polizei eine Einvernahme des Mannes, aus Geheimschutzgründen. Union und Grüne wiesen das Ansinnen prompt zurück, was die SPD als Verstoß gegen den versprochenen neuen Stil wertete. Allzu hart dürften die Sozialdemokraten aber zumindest die Grünen nicht angehen wollen - erklärtermaßen will Schäfer-Gümbel seine guten Kontakte insbesondere zum Ex-Fraktionschef und nunmehrigen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir weiter pflegen.

Künftig "FDP pur"

FDP-Mann Rentsch kündigt an, dass es für die CDU künftig "keinen Rabatt" geben werde, auch wenn man, wie er sagt, "gemeinsam das Land fünf Jahre lang gut regiert haben". Die Hessen-Liberalen hatten sich mit einer Koalitionsaussage an die CDU gefesselt und hernach um Haaresbreite den Einzug in den Landtag verpasst. Diesen Fehler wird sie in fünf Jahren vermutlich nicht wiederholen. Im Landtag soll es, sagt Rentsch, künftig "FDP pur" geben. Das ist auch eine Art Absage an die SPD, die sich in den langen Wochen der hessischen Koalitionssuche vergeblich um einen rot-grün-gelben Pakt bemüht hatte.

Die Linkspartei ist die einzige Fraktion, die mit großer Unbefangenheit aus der Opposition agieren kann. Sie wird ihre Fundamentalkritik fortsetzen, schließlich ist ihr auf diese Weise der Wiedereinzug in den Landtag knapp geglückt. "Wir müssen keine Rücksicht nehmen auf die CDU - aber auch nicht auf die Grünen", sagt Fraktionschefin Janine Wissler. Eine Schonfrist räumt sie Schwarz-Grün nicht ein, wohl aber einigen der Protagonisten. Grünen-Umweltministerin Priska Hinz, die in den vergangenen fünf Jahren nicht im hessischen Landtag saß, soll Pardon auf Zeit gewährt werden.

Ob das noch gilt, wenn Hinz weiterhin in großer Disziplin und aus Staatsräson ihre Vorgängerin Lucia Puttrich von der CDU in Schutz nimmt, die wegen eines Verfahrensfehlers bei der zwischenzeitlichen Stilllegung des AKW Biblis 2011 in der Kritik steht, wird sich bald zeigen. Nach der Regierungserklärung debattiert der Landtag am Mittwoch über die Causa Biblis.

© SZ vom 04.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: