Schutzstatus syrischer Flüchtlinge:Regierung räumt Überforderung beim Familiennachzug ein

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An der Berliner Registrierungsstelle LaGeSo warten Asylsuchende. (Foto: dpa)
  • Debatte um Schutzstatus: Regierungssprecher Seibert verweist darauf, dass ein Familiennachzug für alle syrischen Flüchtlinge de facto schon jetzt nicht mehr möglich sei.
  • Auch wenn das Kanzleramt den Vorstoß von Thomas de Maizière gestoppt hat, vertraue die Kanzlerin weiterhin ihrem Innenminister.

Regierungssprecher: Kein Familiennachzug "im bisherigen Verständnis"

Die von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angestoßene Debatte über eine Verschlechterung des Schutzstatus' syrischer Flüchtlinge sorgt weiterhin für Unfrieden in der Koalition. Auch wenn der Minister seinen Vorschlag erst einmal wieder zurückgenommen hat - das Thema und die damit verbundene Begrenzung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge wird nun heftig diskutiert, mit Zustimmung auf Seiten führender Unionspolitiker und deutlicher Ablehnung von Seiten der SPD-Spitze.

Regierungssprecher Steffen Seibert verwies angesichts dessen nun auf die aktuelle Situation, wonach ein Familiennachzug für alle syrischen Flüchtlinge derzeit ohnehin nicht zu realisieren sei. Die Behörden in Deutschland seien voll damit beschäftigt, die sehr hohe Zahl eintreffender Flüchtlinge zu registrieren und unterzubringen, sagte er in Berlin.

"Wenn man diese Realität landauf landab sieht, dann wird jedem klar: Einen Familiennachzug im bisherigen Verständnis kann es derzeit nicht geben", betonte Seibert. Dies sei aber keine Aussage über die Rechtssituation.

Probleme beim Familiennachzug syrischer Flüchtlinge bestehen schon seit Längerem. Die Linke hatte in einer Kleinen Anfrage vom August darauf hingewiesen, dass es zu erheblichen Wartezeiten von oft mehr als einem Jahr komme. Zudem sei es oft schwierig, Nachweise zu erbringen.

Hintergrund sind Schätzungen, dass die vielen Flüchtlinge, die derzeit ankommen eine noch größere Zahl an Angehörigen nach sich ziehen. Laut Manfred Schmidt, dem früheren Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, machen im Durchschnitt je Flüchtling drei Angehörige einen Anspruch auf Nachzug geltend. Bei der erwarteten gut eine Million Flüchtlinge allein dieses Jahr ergäben sich so weitere drei Millionen Zuzügler. Schmidts Angabe basiert auf Erfahrungen, verlässlich lässt sich dies nicht vorhersagen.

Kanzlerin spricht de Maizière Vertrauen aus

Regierungssprecher Seibert betonte zudem, Innenminister de Maizière genieße auch weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer hatten am Donnerstag eine zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen beschlossen. Am Freitag hatte de Maizière überraschend mitgeteilt, dass auch syrische Flüchtlinge künftig unter den Status dieser Gruppe fallen sollten. Angesichts von Protesten der SPD war dieser öffentliche Vorstoß des Ministers vom Kanzleramt gestoppt worden. Führende Unionspolitiker wie Seehofer und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatten den Vorstoß des Innenministers am Wochenende aber begrüßt.

Eine konkrete inhaltliche Position Merkels zum Status syrischer Flüchtlinge gab Seibert auf entsprechende Fragen nicht wieder. Jetzt gelte es, sich auf die Umsetzung des von den Koalitionsspitzen beschlossenen Asylpaketes zu konzentrieren.

Nach Angaben Seiberts und des Innenministeriums soll die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern in der kommenden Woche über die aufgeworfenen Fragen beraten.

Fahimi: SPD wird jeden Vorschlag prüfen

Die SPD legte am Mittwoch mit scharfer Kritik an de Maizière nach - zeigte sich beim Familiennachzug für Syrer aber prinzipiell gesprächsbereit. Die SPD werde jeden Vorschlag ernsthaft prüfen, ob er humanitären Ansprüchen, internationalen Verpflichtungen und einem Praxistest gerecht werde, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin. "Es geht uns nicht um eine grundsätzliche ideologische Ablehnung eines Vorschlags", betonte sie.

Aus Sicht der SPD ist der Familiennachzug bei Syrern derzeit konkret gar nicht relevant, weil die Betroffenen wegen des Staus bei den Asylanträgen diesen nicht beantragen könnten. Das Thema könnte erst "in vielen Monaten" akut werden, sagte Fahimi. Eine pauschale Zustimmung zu Änderungen in diesem Bereich werde es daher zum jetzigen Zeitpunkt von der SPD nicht geben.

© SZ.de/dpa/epd/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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