Schulz-Rede auf dem Parteitag:Letzte Chance für die SPD

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Beim Bundesparteitag versucht SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, seiner Partei noch einmal neuen Mut zu machen. Doch für die große Wende braucht es mehr als eine solide Parteitagsrede.

Von Christoph Hickmann, Dortmund

Wie ernst die Lage ist, macht Manuela Schwesig gleich zu Beginn dieses Parteitags klar, wenn auch vermutlich nicht ganz freiwillig. "Wir stehen nach wie vor zu 100 Prozent hinter Martin Schulz", sagt die künftige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern in ihrer Begrüßungsrede. Doch allein dass sie glaubt, dies noch einmal betonen zu müssen, zeigt: Die Lage ist einigermaßen ernst, für Schulz und die SPD.

Sonntag, Westfalenhalle in Dortmund, die SPD ist zu ihrem Bundesparteitag zusammengekommen. Gut drei Monate erst ist es her, dass der vorige Parteitag Schulz mit 100 Prozent zum Parteichef gewählt hat - und doch ist die Situation eine vollkommen andere. Der demoskopische Höhenflug ist vorbei, stattdessen befindet sich die SPD umfragetechnisch wieder in jenem Sektor zwischen 23 und 25 Prozent, den sie aus den vergangenen Jahren nur allzu gut kennt. Der Parteitag ist daher für Schulz die letzte Chance, seiner Partei vor der Sommerpause noch einmal den Glauben daran zurückzugeben, dass die Bundestagswahl nicht gelaufen ist. Gewählt wird in drei Monaten.

SPD-Parteitag in Dortmund
:Schulz wirft Merkel einen "Anschlag auf die Demokratie" vor

Die SPD stelle sich mit ihren Ideen der öffentlichen Auseinandersetzung, die Merkel-CDU schweige, sagt der Kanzlerkandidat auf dem Parteitag. Zuvor spricht Altkanzler Schröder den Genossen Mut zu.

Von Barbara Galaktionow

Auf Schwesig folgt jemand, der sich mit Aufholjagden auskennt: Altkanzler Gerhard Schröder, der 2005 bereits scheinbar aussichtlos zurücklag, dann aber beinahe noch Angela Merkel und die Union abgefangen hätte. Und genau daran erinnert Schröder nun noch einmal: Die Union habe zwischenzeitlich bei 49 Prozent gelegen, die SPD bei 26 - doch am Ende sei es lediglich noch ein Prozentpunkt Vorsprung für die Union gewesen.

"Das geht heute auch!", ruft Schröder. Applaus. "Nichts ist entschieden. Nicht Journalisten, nicht Umfragemenschen entscheiden Wahlen." Sondern: die Wähler - von denen sich wiederum viele erst kurz vor Schluss entschieden. Aber: Wenn man die Wende schaffen wolle, dann dürfe es keinen Selbstzweifel geben, weder beim Kandidaten noch bei der Partei. "Auf in den Kampf", sagt Schröder am Ende. Und im Saal stehen sie auf.

Dann, nach einem kurzen Auftritt der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann, ist der Kandidat dran. Es ist genau Mittag, als Martin Schulz ans Rednerpult tritt. Und er startet mit einer Attacke.

Angela Merkel, so beginnt der Kandidat, wolle mit jener Strategie Kanzlerin bleiben, mit der sie bereits die Wahlkämpfe 2009 und 2013 bestritten habe: mit dem Instrument der sogenannten asymmetrischen Demobilisierung. "Sagen Sie nichts. Nehmen Sie zu nichts Stellung. Beziehen Sie keine konkrete Position", so beschreibt Schulz diese Strategie, möglichst viele Bürger vom Wählen abzuhalten und selbst von der niedrigen Wahlbeteiligung zu profitieren. "Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie!", ruft Schulz in den Saal. Und der Saal ist wach.

Es folgt der programmatische Teil der Rede. Drei Grundfragen identifiziert Schulz. Erstens gehe es darum, "wie wir technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt gestalten". Zweitens gehe es darum, "wie wir Sicherheit im Wandel schaffen und zugleich für Gerechtigkeit sorgen". Drittens gehe es darum, "wie wir das demokratische Europa stärken".

Die AfD bezeichnet er als "eine NPD light"

Das klingt einigermaßen abstrakt, doch Schulz gibt sich immerhin Mühe, das ein wenig zu deklinieren. Es geht um Frauen, die nicht mehr schlechter verdienen dürften als Männer, um die "Leistungsträger" in der Mitte der Gesellschaft, die man mit gebührenfreien Kitas und einer Steuerreform entlasten wolle. Schulz spricht die entscheidenden Stellen des Programms an - doch den meisten Applaus bekommt er, wenn er die politischen Gegner attackiert, etwa den türkischen Präsidenten Erdogan. Als Schulz ihn auffordert, in der Türkei inhaftierte Journalisten "am besten noch heute" freizugeben, stehen sie im Saal sogar geschlossen auf. Und mindestens ebenso laut jubeln sie ihrem Kandidaten zu, als er die AfD als "eine NPD light" bezeichnet, die man aus dem Bundestag heraushalten wolle. Laut wird es auch, als er erklärt, keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, in dem nicht die Ehe für alle enthalten sei. Nach gut 50 Minuten zieht Schulz ("Mann, ist das heiß hier!") das Sakko aus. Nach Einer Stunde und 20 Minuten ist er fertig.

Es ist eine solide Rede. Eigentlich ist es sogar eine gute Rede - nur hat Schulz sie so ähnlich eben auch schon ein paar Mal gehalten. Es ist eine Parteitags-Variation seiner Standard-Rede. Ist das der große Wurf, von dem vorher viele gesagt haben, dass man ihn in dieser schwierigen Phase brauche? Eher nicht - aber wer weiß, vielleicht braucht es den auch gar nicht so zwingend? Schließlich stehen die Delegierten und Gäste am Ende dieser Rede trotzdem auf, als habe Schulz gerade den Wahlsieg verkündet. "Martin, Martin!", rufen sie - und ein bisschen ist es dann doch wieder so wie damals, im März.

Die SPD bleibt eben eine Partei, die sich an sich selbst berauschen kann. Wer weiß, wozu sie bis September noch in der Lage ist.

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