Bildung:Mehr Unterricht, weniger Verwaltungsklimbim

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Stefan Düll leitet ein Gymnasium bei Augsburg und ist seit vergangenem Jahr Präsident des Deutschen Lehrerverbands. (Foto: Andreas Gebert/Andreas Gebert)

Stefan Düll ist der neue Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands. Und damit Vertreter eines viel gefragten Berufsstandes, der vor massiven Herausforderungen steht.

Von Kathrin Müller-Lancé

Kurz hat Stefan Düll Zeit für Fragen am Telefon, dann kommt ein Fernsehteam, um ihn zu interviewen. Dabei ist er eigentlich noch gar nicht offiziell im Amt. Am 1. Juli wird der Augsburger Schulleiter offiziell der neue Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands. Er sagt selbst, dass er damit "in große Fußstapfen" tritt, sein Vorgänger Heinz-Peter Meidinger war omnipräsent, aber durchaus umstritten. Noch Anfang des Jahres plädierte Meidinger dafür, in deutschen Klassenzimmern eine "Migrationsquote" einzuführen. In seinen sechs Jahren als Vorsitzender tauchte er regelmäßig in Zeitungen und Fernsehsendungen auf, er protestierte gegen G 8, gegen die Abschaffung der Hauptschule, gegen das Gendern.

Wegen des Lehrermangels fallen zahlreiche Unterrichtsstunden aus

"Er hat vielleicht auch mal polarisiert", sagt Stefan Düll über seinen Vorgänger, "aber er hat den Finger in die Wunde gelegt." Er selbst sei ein anderer Typ, sagt Düll, er werde vielleicht andere Formulierungen finden. Aber auch er sehe sich als Anwalt der Schulen, als Mahner gegenüber der Politik.

Es ist keine leichte Zeit, in der Düll sein neues Amt übernimmt. Deutschland, das immer schon viel über seine Schulen schimpft, schimpft im Moment besonders viel. Wegen des Lehrermangels fallen zahlreiche Unterrichtsstunden aus, die Lehrerinnen und Lehrer, die noch unterrichten, beschweren sich über zu viel Arbeit. Die Schulen suchen so händeringend nach Personal, dass sie Quer- und Seiteneinsteiger einstellen müssen. Gleichzeitig verlieren viele Referendare schon während der Ausbildung die Lust an ihrem Beruf. Bei der vor Kurzem veröffentlichten Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) schnitten deutsche Grundschüler besonders schlecht ab, jeder vierte scheiterte an einfachen Texten. Und auch in Sachen Chancengerechtigkeit hat sich nicht viel getan in den vergangenen Jahren. Noch immer hängt die Bildung von Kindern in Deutschland maßgeblich von der Bildung und dem Geldbeutel der Eltern ab.

Ganz schön viele Baustellen also für den neuen Chef des Lehrerverbands. Was er zuerst angehen will? Den Lehrermangel. Das sei ein Thema für die nächsten zehn Jahre, mindestens. Weil in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch mehr Menschen vor Kriegen und Umweltkatastrophen nach Deutschland flüchten werden, weil auch die gezielt angeworbenen ausländischen Fachkräfte Kinder mitbringen oder bekommen. "Und die haben ein Recht darauf, eine gute Schulbildung zu bekommen."

Man müsse dafür sorgen, sagt Düll, dass die Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, mehr Stunden zu unterrichten, zum Beispiel, indem man sie von "Verwaltungsklimbim" befreie. Fragt man ihn danach, was er von der Politik erwartet, klingt die Antwort schon sehr nach Verbandschef: "Es bringt nichts, wenn die Politik so lange auf Sicht fährt, bis die Probleme riesengroß sind. Da muss man Geld in die Hand nehmen."

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Stefan Düll, 58, ist in Mindelheim in Mittelschwaben geboren. Er studierte Geschichte, Deutsch und Englisch auf Lehramt. Erst vor allem, sagt er, weil ihn das Staatsexamen als Abschluss interessiert hat. Während seines Referendariats aber habe er bemerkt: "Das ist mein Beruf." Seit er 18 Jahre alt wurde, ist er Mitglied in der CSU, in der Partei sei er aber schon seit Jahren nicht mehr wirklich aktiv. Nach dem Referendariat begann Düll mit der Verbandsarbeit, zuletzt war er stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Seit neun Jahren ist er Schulleiter und Seminarvorstand eines Gymnasiums in der Nähe von Augsburg, beide Jobs möchte er auch in Zukunft behalten.

Dülls Vorgänger Heinz-Peter Meidinger, der die letzten Jahre seiner Amtszeit schon im Ruhestand war, hatte seine Handynummer im Internet stehen. Stefan Düll will künftig eine Dienstnummer haben. Auf die SIM-Karte wartet er noch.

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