Schröder:Der Trotzkist

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Das Engagement des Ex-Kanzlers beim Rosneft Konzern zeugt nicht von Unerschrockenheit, sondern von Unverfrorenheit. Und der SPD vermint es den Weg zur Wahl.

Kommentar von Heribert Prantl

Unerschrockenheit gehörte seit jeher zu den guten Eigenschaften Gerhard Schröders. Ein Unerschrockener lässt sich von Widerständen nicht einschüchtern, sondern reizen und anfeuern. Ein Unerschrockener hält tapfer, mutig und trotzig an dem fest, was er für richtig erkannt hat. Und derjenige, der ihm die Beschreibung "unerschrocken" zukommen lässt, hält das Ziel, für das der so Beschriebene ficht, meist für redlich und richtig, er hält es jedenfalls nicht für völlig falsch, gefährlich oder illegitim.

Mit der Unverfrorenheit verhält es sich anders: Unverfrorenheit ist nicht einfach nur eine Steigerungsform der Unerschrockenheit; es ist vor allem eine Eigenschaft, die mit Handlungen verbunden wird, die suspekt sind. Man verbindet Unverfrorenheit gern mit Straftaten oder sonstigen Gemeinheiten. Unverfroren - das ist eine Mischung aus keck, frech und dreist, da schwingt die Unverschämtheit mit, die Tollkühnheit und die Unvernunft. Wer unverfroren ist, der handelt ohne zu frieren, ohne zu zittern, ohne Angst zu haben - und ohne sich zu schämen. Das alles trifft auf das geplante Engagement von Ex-Kanzler Gerhard Schröder im russischen Staatskonzern Rosneft zu.

Sein Engagement bei Rosneft ist unverfroren und trotzig

Dieses Engagement Schröders ist ein verrücktes und maßloses Engagement. Verrückt ist es, weil es die Maßstäbe, die für ehemalige Spitzenpolitiker gelten sollten, nicht nur weiter verbiegt. Schröder wird ja nicht einfach, wie dies leider so viele andere Ex-Politiker tun, als Wirtschaftslobbyist tätig. Sein Rosneft-Engagement ist mehr, es ist etwas anderes - es ist ein hochpolitisches Engagement, es ist eines, das die deutsche und die europäische Politik in Schwierigkeiten bringt, weil sich Schröder in einem Konzern engagiert, der auf der EU-Sanktionsliste steht. Dies ist maßlos, weil es das Maß dessen, was ein Ex-Kanzler politisch darf, überschreitet - selbst dann, wenn man, wie Schröder, Sanktionen für falsch hält.

Bisher ist Schröder Verwaltungsratschef bei der Nord-Stream, die durch die Ostsee eine Gasleitung von Russland nach Deutschland gebaut hat und betreibt. Nord-Stream gehört zu 51 Prozent dem russischen Konzern Gazprom. Schröder hat das Engagement bei diesem Energieversorger mit nationalem deutschen Interesse begründet, dem Interesse an der Stabilität der Energieversorgung; Kanzlerin Merkel hat ja auch deswegen 2011 den ersten Strang dieser Leitung eingeweiht. Die geplante Tätigkeit bei Rosneft kann Schröder so nicht rechtfertigen. Es ist dies nicht einfach die Ausweitung der Tätigkeit bei Nord-Stream oder deren Potenzierung. Dies konterkariert die derzeitige deutsche und europäische Politik gegenüber Russland. Der Konzern Rosneft ist nicht einfach irgendein russischer Konzern, er ist die Putin AG.

Wenn man ein Trotzkist ist, wenn man als Politiker mit Vehemenz trotzig ist, dann ist Schröder einer: Er war und ist ein Jetzt-erst-recht-Politiker. Die heftige Kritik, die wegen Rosneft nun an ihm geübt wird, wird Schröder, so ist er nun einmal gestrickt, nicht abhalten, sondern bestärken. Er wird seine Unverfrorenheit für Unerschrockenheit halten.

Unerschrocken war Schröder, als er im Januar 2003, es war im niedersächsischen Landtagswahlkampf, auf dem Marktplatz zu Goslar, verkündete, dass er als Kanzler nie und nimmer im UN-Sicherheitsrat "einer den Krieg legitimierenden Resolution" zustimmen werde. Es war dies die Zeit, in der US-Präsident George W. Bush mit Lug und Trug für eine Anti-Saddam-Koalition warb. Schröder verweigerte sich der Beteiligung am Irak-Krieg. Erst viel später nannten auch seine vielen Kritiker diesen Krieg "unselig" und priesen Schröder für seine Standhaftigkeit. So ähnlich war es dann auch bei der Unerschrockenheit, mit der Schröder seine Agenda 2010 durchsetzte und dafür die Beschädigung der SPD in Kauf nahm.

Seine Erfahrungen bestärken nun seinen Starrsinn im Fall Rosneft. Schröder bedauert richtigerweise, wie schlecht die Beziehungen zwischen Deutschland, der EU und Russland geworden sind - und handelt deswegen, wie es ihm politisch gefällt und finanziell guttut. Schröder hält sich für einen, der es im Kreuz hätte, als Kanzler und Wahlkämpfer gerade in den Trump-Zeiten die Politik zu Russland auf neue Beine zu stellen - und den "deutschen Weg", den er 2002 im Wahlkampf gegen Stoiber propagiert hatte, neu zu pflastern. Das trifft auf eine in Deutschland und zumal der SPD durchaus präsente Stimmung, mit Russland den Ausgleich zu suchen. Aber im Wahlkampf des Martin Schulz ist das so nicht angelegt. Der SPD-Kanzlerkandidat erschrickt vor dem, was Schröder für Unerschrockenheit hält. Schröder hat den Weg vermint, den Schulz bis zum 24. September noch zu gehen hat.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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